Dabei ist aus dem ursprünglichen Plan, „Firmenfernsehen“ im Web zu gestalten, um „vorzuleben, was wir selber empfehlen“, weit mehr geworden, nämlich eine Art „B2B-Brachenfernsehen“, ein „Informations- und Servicekanal für Medien und Marken“, der laut Wurzer eine außergewöhnlich gute Resonanz beim Fachpublikum aus der Kommunikations- und Medienindustrie findet.
So stehe man kurz vor dem Kooperationsabschluss mit einem „bekannten Medienunternehmen“, mit dem man den Web-TV-Kanal verzahnen wolle, um eine größere Reichweite zu erzielen.
Als Showcase für seine Firma zeigt die Entwicklung des Web-TV-Senders, dass Wurzer mit seinen Visionen, die er schon bei Firmengründung in 2002 verfolgte, durchaus richtig liegen könnte. Aufgrund der mannigfachen Erfahrungen, die Medien- und Vertriebsprofi Wurzer in verschiedensten Entwicklungsbereichen der Bertelsmann-Gruppe – von der Produktionsfirma Fremantle über RTL Creation bis zur Arvato-Tochter cutup – gesammelt hat, war und ist er überzeugt, dass es sich „bei der klassischen Werbung um ein Auslaufmodell“ handelt. Man müsse „weg von inszenierten Werbebotschaften“. Vielmehr müsse auch bei Marketingverantwortlichen die Kommunikation von „objektiven Inhalten“ im Mittelpunkt stehen, um glaubwürdig zu sein. Von Anfang an nahm sich Wurzer vor, mit seiner Produktions- und Vermarktungsfirma very.tv „als Fernsehentwickler der neuen Generation“ im Internet zu wirken. Dank seiner guten Kontakte konnte er schnell Auftragsprojekte an Land ziehen. Dabei hat sich mittlerweile vor allem die Deutsche Telekom zu einem Dauerkunden entwickelt, mit der Wurzers very.tv auch derzeit ihr Hauptgeschäft macht, da sie seit 2006 für das IPTV-Angebot T-Home regelmäßig den Info- und Servicekanal „Entertain Inside“ produziert. Als neue namhafte Kunden kamen kürzlich der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger, VDZ, und die TUI hinzu.
Die Kundenthemen – etwa IPTV und Verlegerfernsehen – spiegeln sich auch im Programmangebot von very.tv wider. Aber nicht nur die. Insgesamt kann man per Klick zurzeit, wie es Wurzer nennt, sechs verschiedene Programm-„Schubladen“ ziehen. Unter der Rubrik „Events“ befindet sich ein Bewegtbild-Veranstaltungskalender, der über die wichtigsten Konsumgütermessen und Medien-Events in Deutschland informiert und reportiert. Unter „talks“ sind Interviews mit teils hochkarätigen Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Medien zu finden. „Clever“ bringt „Erklärstücke“ zu neuen Entwicklungen in der Medienbranche und auch besondere „Webfundstücke“. „Inside“ setzt vergangene und künftige Medientrends in Szene, während „Lokal“ für den kölschen Standort des Web-TV Werbung macht. Last but not least gibt es unter „Special“ etwas zum Schmunzeln zu sehen, wie der Medienexperte „Media Mark“ beispielsweise Begriffe wie IPTV aufdröselt.
So zeige das Programm, das monatlich mit einer neuen 10- bis 15-minütigen Ausgabe neben den Archiv-Videos kommt, auch „verschiedene Spielarten“, wie man Fernsehen machen kann, etwa im sachlichen, emotionalen oder humoristischen Stil, betont Wurzer. Von den neuesten Internet-Trends unter dem Begriff „Social networks“ etwa „My Space“ oder „Facebook“ grenzt Wurzer seine Web-TV-Philosophie genauso ab wie von den bunten Homepage-Seiten mit vielen interaktiven Elementen und üblicher Browser-Optik. Er will schlicht ein gelungenes Fernseherlebnis mit hohem redaktionellem Anspruch bieten, ob es nun über den Fernsehbildschirm (IPTV) oder über dem Computermonitor (Web-TV) erscheint, wie es denn auch der Showcase very.tv repräsentiere. Realisiert werden die very.tv-Sender und Programme von einem achtköpfigen festangestellten Team in Zusammenarbeit mit dem üppigen „Netzwerk an Drehteams“, über das die Fernsehstadt Köln verfügt.
Trotz aller aktuellen Interneteuphorie gehört es für die meisten Marketingverantwortlichen außerhalb der Automobilindustrie auch heute noch nicht zum Kommunikationspaket, sich einen TV-Firmensender als Werbemaßnahme zu kaufen. Es wird ein Preisschock befürchtet. Der Grund, warum Wurzer ein paar Hausnummern nennt, die vielleicht als Beruhigungspille wirken. Ein gut gemachter dreiminütiger Fernsehreport über eine Veranstaltung koste etwa 5.000 Euro, wobei er ja seine Informationsfunktion im Archiv des eigenen Web-TV lange Zeit behalte. Für den Initialaufwand, um einen Web-TV-Sender auf die Beine zu stellen, fallen laut Wurzer rund 25.000 Euro an: von der Programmstrategie über einem Basic-Design bis zur technischen Realisierung. Ein Web-TV-Kanal, der mit fünf Beiträgen startet, wäre Summa Summarum schon für 50.000 Euro zu haben. Allein die Traffic-Kosten kämen noch extra bei dieser Modellrechnung hinzu.
Erika Butzek (MB 03/08)