VoD überholt klassisches TV

Die Medien- und Unterhaltungsbranche in Deutschland wächst weiter. 2017 hat sie ihren Gesamtumsatz gegenüber dem Vorjahr um 2,1 Prozent auf 60,6 Milliarden Euro gesteigert. Bis 2022 prognostiziert PricewaterhouseCoopers (PwC) der deutschen Medien- und Unterhaltungsbranche ein durchschnittliches Jahresumsatzwachstum von 1,8 Prozent auf 66,2 Milliarden Euro.

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VoD überholt klassisches TV

Diese und zahlreiche detaillierte Branchenentwicklungen gehen aus dem neuen “German Entertainment and Media Outlook” der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC hervor. PwC veröffentlicht diese Branchenanalyse seit 15 Jahren. Nun sind Ergebnisse für 2017 und die Prognosen für die kommenden fünf Jahre erschienen. Aus der umfangreichsten Studie in Deutschland zum Thema werden auch die Gewinner und Verlierer der Branche ersichtlich.

Bei jungen Erwachsenen hat VoD das klassische TV schon überholt

Einer der Gewinner des Jahres 2017 – mit besten Wachstumsperspektiven- ist Video-on-Demand (VoD). Dessen bekannteste Anbieter sind Netflix und Amazon Prime. Im vergangenen Jahr ist der VoD-Umsatz in Deutschland im Vergleich zu 2016 um 13,5 Prozent auf 866 Millionen Euro gestiegen. Bis 2022 geht der “German Entertainment and Media Outlook” von einem durchschnittlichen Jahreswachstum von 9,8 Prozent auf rund 1,4 Milliarden Euro aus.

Werner Ballhaus (Foto), der für die Studie verantwortliche Leiter des PwC-Bereichs Technologie, Medien und Telekommunikation, begründet: “VoD-Dienste werden vor allem bei jungen Leuten immer beliebter. Sie wollen Filme und andere Sendungen zeitlich flexibel sehen.” Der durchschnittliche Anteil der VoD-Nutzer unter den 14- bis 29-Jährigen lag 2017 laut Digitalisierungsbericht der Medienanstalten mit 44 Prozent erstmals über dem Nutzungsanteil des klassischen Fernsehens (38 %). Tendenz: steigend.

Nationale Fernsehsender unter Zugzwang

Der Gesamtumsatz (ohne Werbung) im deutschen Fernsehmarkt stagniert. Bis 2022 wird er voraussichtlich nur noch um durchschnittlich 0,4 Prozent pro Jahr auf 12,1 Milliarden Euro steigen. “Globale Player wie Netflix und Amazon werden im Vergleich zu einem nationalen Anbieter immer größere Skaleneffekte und damit umfangreichere Investitionsmöglichkeiten haben. Nationale Sender sollten daher verstärkt über eine Strategie nachdenken, die es ihnen erlaubt, ihre Kräfte zu bündeln und gemeinsam gegen die großen Player anzutreten”, sagt Werner Ballhaus. Allerdings ist der Fernsehmarkt sehr differenziert zu betrachten: Er unterteilt sich nach Empfangsarten in Kabel, Satellit, IPTV und Terrestrik bzw. nach Art der empfangenen Inhalte in Pay- oder Free-TV.

Der Pay-TV- und der Heimkino-Markt entwickeln sich entgegengesetzt

Pay-TV etabliert sich zunehmend als dritte Säule neben dem werbefinanzierten Free-TV und dem gebührenfinanzierten öffentlichen Rundfunk im deutschen Fernsehmarkt. Mit 103 abonnierbaren Pay-TV-Sendern wuchs der Markt dynamisch und erreichte 2017 mit 7,9 Millionen Abonnenten einen neuen Höchststand. Beim Pay-TV-Umsatz erwarten wir bis 2022 ein durchschnittliches jährliches Wachstum von drei Prozent auf etwa 2,7 Milliarden Euro Umsatz.

In die entgegengesetzte Richtung entwickelt sich seit längerem der Heimkinomarkt. Hier sank der Umsatz 2017 gegenüber dem Vorjahr um 13,8 Prozent auf rund 1,1 Milliarden Euro. Darin enthalten ist beispielsweise der Umsatz im physischen Verleihgeschäft – zum Beispiel von DVD. Dieser lag 2017 mit 84 Millionen Euro um 30,6 % niedriger als im Vorjahr. Der physische Verkauf stand 2017 mit 974 Millionen Euro Umsatz etwas besser da, erzielte aber dennoch 11,9 % weniger Umsatz als 2016.

Das Fernsehen muss bei personenbezogener Werbung aufholen

Auch die lineare TV-Werbung wächst über den Betrachtungszeitraum des PwC-“Outlook”. Das Wachstum ist hier jedoch geringer als bei der Online-Werbung. Zwar ist der Umsatz mit TV-Werbung 2017 um 2,3 Prozent auf 5,1 Milliarden Euro gestiegen. Aber das im Vergleich zur Online-Werbung ohnehin schon geringe Wachstum wird bis 2022 voraussichtlich weiter sinken. Die Umsatzerwartung von PwC für TV-Werbung im Jahr 2022 liegt bei 5,5 Milliarden Euro. Davon dürften rund 4,9 Milliarden Euro Umsatz auf lineare Werbung und rund 695 Millionen Euro Umsatz auf Online-TV-Werbung entfallen.

“Das Fernsehen ist gefordert, den Wandel zu personenbezogener Werbung mitzumachen. Die bereits sehr hohe Verbreitung von Smart-TVs ermöglicht dieses”, erklärt Werner Ballhaus. Ein erster Ansatz für mehr Zielgruppengenauigkeit seien Werbespots, die nur auf den Bildschirmen von Zuschauern ausgestrahlt werden, die in einer bestimmten Region wohnen oder andere spezifische Merkmale aufweisen.

Print-Medien verlieren trotz Digitalstrategien stetig an Werbeumsatz

Ein weiterer Verlierer sind Printmedien. So ist das Gesamtumsatzvolumen im Zeitschriften-Segment 2017 im Vergleich zum Jahr zuvor um 1,8 Prozent gesunken. Das Tageszeitungen-Segment büßte 0,9 Prozent ein. Bis 2022 prognostiziert PwC für die Segmente einen Rückgang der Einnahmen um 1,5 Prozent auf 4,9 Milliarden Euro (Zeitschriften) bzw. um 1,1 Prozent auf 7,4 Milliarden Euro (Zeitungen).

Die Werbeerlöse der Zeitungen sind 2017 um insgesamt 4,4 Prozent auf 2,8 Milliarden Euro geschrumpft. Für 2022 prognostiziert der PwC-“Outlook” weitere Rückgänge bis auf 2,5 Milliarden Euro. Davon werden 2,1 Milliarden Euro voraussichtlich aus Print-Werbeerlösen stammen – und 380 Millionen Euro aus Online-Werbung, welche auf den Online-Plattformen der Zeitungen geschaltet wird.

Online-Werbung wächst durch Technologien zur Individualisierung

Das Internet ist das umsatzstärkste Werbemedium in Deutschland. Online-Werbung gehört deshalb weiterhin zu den großen Gewinnern des aktuellen “German Entertainment and Media Outlook”. In diesem Segment stieg der Umsatz 2017 um 8,5 Prozent auf 7,4 Milliarden Euro. “Online-Werbung ist vor allem deshalb attraktiv, weil sie individuell auf die Interessen jedes einzelnen Online-Nutzers abgestimmt werden kann”, sagt Werner Ballhaus. “Voraussetzung dafür sind große Mengen an Kundendaten, die ständige Pflege dieser Daten – und ihre intelligente Nutzung.”

Für die Online-Werbung prognostiziert PwC ein jährliches Durchschnittswachstum von 5,7 Prozent pro Jahr auf 9,8 Milliarden Euro bis 2022. Innerhalb der Online-Werbung glänzt mobile Werbung – auf Smartphones, Tablets etc. – mit einem durchschnittlichen Jahreswachstum von 18,5 Prozent als stärkster Wachstumstreiber.

Virtual-Reality-Angebote sind Senkrechtstarter mit großem Potenzial

Neue Technologien ermöglichen auch immer raffiniertere Videospiele. Diese entwickeln sich zu einem zunehmend gewichtigen Mediensegment. 2017 lag der Gaming-Umsatz mit 4,5 Milliarden Euro 11,4 Prozent höher als im Jahr zuvor. Davon entfielen fast die Hälfte – 2,2 Milliarden Euro -auf Social/Casual Games. Bis 2022 erwartet PwC weitere Umsatzanstiege um durchschnittlich 6,4 Prozent jährlich auf 6,2 Milliarden Euro für das Videospiele-Segment.

Virtual-Reality-Angebote sind Senkrechtstarter. Der Umsatz damit hat sich 2017 im Vergleich zum Jahr zuvor auf 191 Millionen Euro mehr als vervierfacht. Für 2022 sieht PwC das Umsatzpotenzial bei 720 Millionen Euro. Die wachstumsstärksten Bereiche im Virtual-Reality-Segment sind Virtual Gaming und Videos.

Weitere Informationen finden Sie hier: www.pwc.de/gemo (10/18)

Foto: Werner Ballhaus, Leiter des Bereichs Technologie, Medien und Telekommunikation (TMT), PwC Germany