„Wir müssen uns amerikanischen Gegebenheiten anpassen“

Fiction-Geheimwaffe Cobra 11 Der einstige Stuntprofi und Helikopter-Pilot Hermann Joha steht heute als Chef und Weiterentwickler seiner Kölner Produktionsfirma „action concept“ voll unter Dampf. Im Gespräch mit MEDIEN BULLETIN erläutert er, wie der Fiction-Standort Deutschland aus seiner Sicht wieder auf Vordermann zu bringen ist.

5

Zurzeit werden bei den großen privaten Fernsehsendern in Deutschland wichtige Prime-Time-Sendeplätze für fiktionale Serien mit US-Lizenzware besetzt, so dass deutsche Produzenten das Nachsehen haben. Wie beurteilen Sie das?
So ist es leider. Der ganze Fiction-Bereich verhält sich zyklisch. Mal geht es fünf bis zehn Jahre in die, dann in die andere Richtung. Vor zehn Jahren wollten deutsche Fernsehzuschauer überhaupt keine amerikanischen Serien mehr sehen, auch nicht bei den privaten Sendern. Sogar die schlechteste deutsche Serie wurde von mehr Zuschauern eingeschaltet als eine gute amerikanische. Dass sich die Richtung jetzt wieder umgedreht hat, hängt mit der Tatsache zusammen, dass das amerikanische Fernsehen einen ungeheuren Qualitätsschub erhalten hat. Alle Kreativ-Agenten in den USA, ob von CAA – Creative Artist Agency -, Endeavor oder William Morris, sind der Meinung, dass die TV-Fiction, die momentan in den USA läuft, besser ist als 80 Prozent der Kino- und Featuresproduktionen, die in Hollywood produziert werden.

Tatsächlich? Zumindest bei öffentlich-rechtlichen Senderverantwortlichen in Deutschland, die ja auch mit Erfolg urdeutsche eskapistische Fiction-Formate senden, gibt es die Meinung, dass die US-Serie immer noch in der Krise steckt. Vielleicht urteilen Sie aus dem speziellen Blickwinkel von action concept?
Wer meint, das amerikanische Fernsehen sei in einer Krise, soll sich doch mal vor Ort umschauen. Die HBO-Serien wie etwa „Rome“, „Desperate Housewives“ oder andere wie „Dr. House“, „Monk“, „Criminal Intent“ und nicht zuletzt „CSI“ haben vor allem in der Dramaturgie und im Dialog ein hohes Niveau erreicht und laufen auch in Deutschland immer besser. Aber natürlich sind wir in unserem Kerngeschäft, auf das wir stolz sind und von wo aus wir uns immer weiter entwickeln, eine Stunt-Firma. Wir sind – wie die Amerikaner es nennen – ein Physical-Action-House, ein Effect-House. Das ist unsere Marke, die uns von anderen Produktionsfirmen wie etwa von der UFA unterscheidet, die in ihrem Entertainment reinrassiger und mainstreamiger ist.

Was macht denn die neue amerikanische Qualität aus – Erzählweise, Stoff oder hohes technologische Niveau auf HD-Basis?
Die neue amerikanische Produktionsqualität besteht aus einer Kombination von vielem. Wesentlich dabei ist ihre Verankerung im veränderten Zuschauerverhalten, das heute von der gesamten modernen Technologie geprägt wird. Der Zuschauer möchte in wesentlich kürzerer Zeit informiert oder unterhalten werden. Er hüpft im Internet von Seite zur Seite. Er zappt wild durch das Programm. Er ist nur in Ausnahmefällen bereit, sich länger auf einen einzelnen Erzählstrang einzulassen. Beispiel „CSI“: Die Geschichten sind in sehr kurze dramaturgische Einheiten verpackt: Flashes, um Emotionen aufzubauen. Man geht in alle Details. Man wird von einem Ort zum anderen getragen, mit sehr kurzen Handlungselementen, mit vielen verschiedenen Strängen. Dabei tauchen Menschen auf, die für Gerechtigkeit stehen und spannende Dialoge von sich geben. Man merkt, dass 25 Leute darüber nachgedacht haben. Wenn es noch nicht gut genug ist, überarbeiten es weitere zehn Autoren. So erhält die Dramaturgie einen Druck und eine Massivität in der Entwicklung, die uns als deutsche Produzenten vor ganz neue Aufgaben stellt. So einfach wie früher ist es nicht mehr.

Braucht nicht aber jedes Land, jede Fernsehnation ihre eigene fiktionale Erzählweise?
Die Amerikaner schaffen es immer wieder, was dem Rest der Welt nicht gelingt. Es gibt den so genannten „Culture-Discount“. Wenn etwas speziell für Italien, Spanien, Portugal, Japan oder Deutschland gedreht wurde, ist es eher schwierig, es weltweit zu verkaufen. Die Amerikaner hingegen bürsten ihre Geschichten so auf, dass sich die Geschmackswelten der restlichen Welt aus irgendeinem Grund darin wiederfinden. Das klappt im europäischen Markt nur in Ausnahmefällen.

Zum Beispiel mit Ihrer „Cobra 11“?
Wir haben das Glück, dass unsere Formate weitgehend internationalisiert und für den Weltmarkt sehr passend sind.

>„Alarm für Cobra 11 – Die Autobahnpolizei“ verkauft sich weltweit gut?
Cobra 11 verkauft sich hervorragend. Es ist eine der best verkauften Serien in Europa. Und Cobra wird auch in den kompletten asiatischen und slawischen-östlichen Märkten begeistert geschaut. Von da bekommen wir jede Menge Fan-Briefe. In Frankreich, Spanien, Portugal, Schweden oder den Beneluxländern läuft Cobra sowieso. Zwar haben wir den amerikanischen Markt noch nicht geknackt, wir sind aber dicht davor.

Sogar die alten Cobra-Staffeln erreichen bei RTL vergleichsweise hohe Quoten…
Cobra gehört momentan zu den ganz wenigen deutschen fiktionalen Serien, die noch gute Werte erreichen – zwar keine Traumwerte mehr wie vor fünf bis zehn Jahren, aber das ist ganz normal.

Ab dem Frühjahr geht bei RTL eine renovierte „Cobra“-Staffel auf Sendung. Was haben Sie geändert?
Unbewusst und ohne es abgeguckt zu haben, sind wir ähnlich wie die Produzenten des neuen James Bond in der Kinowelt vorgegangen. Wir haben Cobra eine Stufe härter gemacht und sind dabei vom James Bond-Image des René Steincke, den ich persönlich sehr mag und schätze, auf das eher mit dem von Daniel Craig übereinstimmendem Image von Gedeon Burkhardt als Kommissar Ritter in Cobra umgewechselt. Den Look haben wir ebenfalls eine Stufe härter eingestellt und den dramaturgischen Aufbau auf das Zuschauerinteresse, wie es sich in den letzten drei Jahren neu entwickelt hat, neu zu gespitzt.

Amerikanisches Vorbild: HD
Haben Sie die neue „Cobra“-Staffel nach amerikanischem Vorbild jetzt auch auf HD-Basis produziert?
Natürlich. Die neuen Cobra-Staffeln sind alle auf Film gedreht und in der Postproduktion HD abgetastet. Wir sind technologisch immer auf der Höhe der Zeit. Meine Mitarbeiter informieren sich immer rundherum, ob wir nicht auch noch den letzten Action-Film im Kino toppen können. Wir entwickeln neue Philosophien, neue dramaturgische Erzählschienen im Rahmen der Stunts. Früher hat man detailliert gezeigt, wie sich ein Stunt entwickelt: Auto steuert auf den Stein zu, Stein schleudert Auto hoch, man geht in die Innenaufnahme. Inzwischen zeigt man das Auto, zeigt die Situation und dann passiert der Stunt ganz einfach. Auch hier gibt es jetzt einen ganz anderen Druck in der Erzählweise, den es früher so nicht gegeben hat.

Mit „Writers Room“ bieten Sie bereits zum dritten Mal jungen deutschen Autoren die Chance, unter Anleitung von erfolgreichen US-Showrunnern und Autoren wie Lee Goldberg – „Monk“ – und Matt Witten – „Dr. House“, „CSI Miami“ – im Team neue Fiction-Konzepte zu entwickeln. Was genau wollen Sie damit erreichen, und was haben Sie schon erreicht?
Bei uns ist immer noch das Schema gang und gäbe, wonach ein einzelner Autor eine Folge schreibt. Nur ganz selten wird in Teams gearbeitet. Wir müssen uns jetzt den amerikanischen Gegebenheiten anpassen und die so genannten „Writers Rooms“ kreieren, so dass wir mit einem ganz anderen Druck Serien entwickeln, die Qualität der Bücher auf ein hohes Level heben und auch die Entwicklungszeiten verkürzen können. Das ist nur im zu Team erreichen, wenn fünf bis zehn Schreiber zusammen mit dem Headwriter das gleiche Thema im Kopf haben und es gemeinsam zu Papier bringen.

Das alles zusammen hört sich nach hohen Kosten an. Ist Ihre Firma action concept immer noch in der glücklichen Situation, dass RTL alles zahlt, um dem Qualitätsschub in den USA auf den Fersen zu bleiben?
Alles, was ich Ihnen beschrieben habe, finanziere ich momentan aus den Möglichkeiten, die ich mit „Cobra 11“ und der Unterstützung von RTL noch habe. Auf die Dauer gesehen, müssen sich die Sender aber wesentlich stärker beteiligen. Wir haben noch die unikate Situation, dass wir in der Vergangenheit durch unseren RTL-Rahmenvertrag die Möglichkeiten hatten, mehr als andere Produzenten investieren zu können. Auf Dauer kann die deutsche Filmproduktion nur existieren, wenn sich auch die Sender bei dieser ganzen Entwicklung – wie zum Beispiel „Writers Rooms“ – beteiligen. Wir deutsche Produzenten müssen die Sender davon überzeugen, dass sie mit in die Entwicklung und mit in die Kostenübernahme gehen. Wenn das nicht passiert, dann sieht es mau aus für die Zukunft der deutschen Filmproduktion.

Sind sie da hoffnungsfroh?
Ich hoffe, dass die Produzentenverbände zu einem Zusammenschluss kommen und etwas bewegen können.

Ihre Meinung stimmt mit der der anderen Produzenten überein?
Hundertprozentig. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass die Chefetagen der Sender massiv seitens der Produzenten angegangen werden.

Aber speziell die Verantwortlichen der privaten Sender scheinen ja momentan die Überlegung zu pflegen: „Warum sollen wir viel Geld in die Entwicklung von neuen deutschen Fiction-Produktionen investieren und unsere Gewinnmargen minimieren, wenn wir bei den Zuschauern auch mit viel preiswerterer US-Lizenzware gute Quotenerfolge erzielen?“
Das kann nur eine Zeit lang funktionieren. Es kann und wird nicht sein, dass das deutsche Publikum sein Interesse an deutschen Produktionen völlig verliert. Jedes Publikum wird immer daran interessiert sein, aus dem eigenen Kulturkreis eine Unterhaltung zu sehen, im fiktionalen wie im non-fiktionalen Bereich. Das sich ein Sender irgendwann entscheidet, nur noch amerikanische fiktionale Produktionen zu zeigen, hat es bislang noch in keinem Land der Welt gegeben und wird es auch nicht geben. Es ist eine Tendenz, die, wie gesagt, schubweise kommt. Jetzt sind die Amerikaner gerade vorne. Aber auf die Dauer werden deutsche Produktionen immer ihr begeistertes Publikum finden. Das zeigt auch die aktuelle Entwicklung in der deutschen Kinoszene. Der Anteil der deutschen Produktionen lag im letzten Jahr schon bei über 25 Prozent.

Obwohl Ihre erste Kinoproduktion „Der Clown“ im Gegensatz zur gleichnamigen RTL-Serie beim deutschen Publikum nicht besonders gut ankam, entwickeln Sie gerade ein für deutsche Verhältnisse sündhaft teures Kinoprojekt. Was macht Sie so optimistisch?
Wir haben uns bei unserem aktuellen Kinoprojekt, das „Stopping Power“ heißt, mit Intermedia als großen etabliertem Hollywood-Player zusammengetan, der unter anderem schon „Terminator 3“ realisiert hat. Das ist das beste Action-Buch, das wir je hatten. Jan de Bont hat es gelesen und sich sofort für die Regie bereit erklärt. Für uns ist es die nächste Stufe, und es muss eigentlich ein riesiger Erfolg werden. Wir haben bislang über 300 Action-Produktionen auf die Beine gestellt, und wenn ich dann sage, das ist das beste Buch, das wir je hatten, weiß ich schon, wovon ich spreche. Das ist ein Projekt, das irgendwo – je nach Cast – zwischen 30 bis 40 Millionen Minimum ansetzt. „Der Clown“ war zwar in Deutschland kein großer Erfolg. Zu der Zeit waren aber auch andere Action-Produktionen wie „Hostage“ von Bruce Willis, „Fantastic Four“ von Bernd Eichinger alle mit uns an der deutschen Kinokasse untergegangen. „Fantastic Four“ hat dann aber weltweit an die 400 Millionen eingespielt. Und der Clown war Nummer 1 in China, Nummer 1 in Südafrika, Nummer 1 im mittleren Osten und er war einer der best verkauften internationalen Filme auf dem American Film Market. Über diese Schiene haben wir die Kosten für den Clown wieder aufgefangen.

Wer macht den Weltvertrieb für action concept?
Wir haben inzwischen selbst einen Weltvertrieb mit hervorragenden Leuten gegründet, die langjährige Erfahrung auf dem internationalen Markt haben.

Königsklasse Kino
Was motiviert Sie, auch im Kinobereich aktiv zu sein?
Der Kinofilm ist die Königsklasse. So wie auch ein Autohersteller, ob BMW, VW oder Volvo, immer ein Topsegment neben seinen Kleinwagen und der Mittelklasse im Angebot hat, wollen wir uns auch in unserem Core-Business auf der spektakulären Schiene im Topsegment profilieren.

Im Fernsehbereich wollen Sie sich offenbar künftig immer mehr von der exklusiven Verbindung mit RTL lösen und haben beispielsweise bereits für ProSieben „Hammer & Hart“ produziert. Gibt es da aber nicht mit RTL Konflikte, zumal Sie ja noch einen First Look Deal mit dem Kölner Sender haben?
Wenn wir für ProSieben, Sat.1, ARD oder ZDF neue Projekte entwickeln, – mit all diesen Sendern sind wir im Gespräch -, dann haben wir mit RTL keine Problematik. Die Senderprofile sind mittlerweile sehr unterschiedlich. Wir haben wunderschöne Ideen für ARD und ZDF, die für RTL uninteressant sind, da die Publikumsansprache so verschieden ist, es gibt kaum Berührungspunkte. Bei Sat.1 und ProSieben könnte es zwar schon eher Überschneidungen mit RTL geben, aber auch da sind die Ziele grundverschieden. Speziell für ProSieben entwickeln wir zurzeit ein neues Action-Projekt, und wahrscheinlich einen Piloten. Das Projekt ist zielgruppentechnisch so jung angesetzt, dass es für RTL nicht in Frage käme. Bei Sat.1 sind viel femininere Strukturen zuhause, so dass Sat.1-Projekte in der Regel nicht mit dem RTL-Kernpublikum übereinstimmen.

Mit Ihrem speziellen Profil, spektakuläre Action-Projekte realisieren zu können, stehen Sie vermutlich trotz der momentan schwierigen Ausgangslage für deutsche Fiction-Produktionen sehr gut da, weil Sie etwas haben, dass kaum jemand anders bieten kann?
Sicherlich. Aber wir haben auch Kosten, die kein anderer hat. Insofern ist es für uns ein genauso harter Kampf wie für alle anderen deutschen Produzenten. action concept hat ein festangestelltes Stunt-Team, das „unter Dampf“ gehalten werden muss. Wir haben ein eigenes Stück Autobahn gebaut, weil wir uns die Anmietung aus Gründen der Logistik und der Kosten kaum mehr leisten konnten. Wir haben eine spezielle Struktur im Unternehmen mit eigenen Avids, Kameraleuten, High-Speed-Kameras, mit Crash-Boxen und so weiter geschaffen, die samt und sonders nicht im Freien verankert ist, sondern kontinuierlich feste Kosten erzeugt. Damit sind wir schon gezwungen, immer ein gewisses Umsatzvolumen zu drehen und zu kreieren. So haben wir den gleichen Kampf wie alle anderen Produzenten. Und das ist zurzeit schon ein sehr, sehr harter Kampf. Aber es geht allen freien, unabhängigen Produzenten in ganz Europa nicht viel besser.
Erika Butzek (MB 02/07)

Anzeige