Streaming verstärkt Kooperationsbereitschaft

Das Thema „Streaming als Game Changer für Film und Fernsehen“ diskutierten am 5. Juni 2019 die Panel-Teilnehmer des Mediengipfels auf der ANGA COM 2019. Deutlich wurde hier die wachsende Bereitschaft der TV-Anbieter zur Plattform- und Senderfamilien-übergreifenden Kooperation. Aufgezeigt wurde ein von Netflix ausgehendes Gefahrenpotential für den Markt.

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Mediengipfel auf der ANGA COM 2019

Mit über 20.000 Teilnehmern und 500 Ausstellern ist die ANGA COM 2019 (4. bis 6. Juni) erfolgreich über die Bühne gegangen. Besonders gelobt wurde von den Ausstellern die nochmals erhöhte Präsenz von Einkäufern und Entscheidern. Viele Neuzugänge verzeichnete die Fachmesse für Breitband, Fernsehen [&] Online dieses Jahr insbesondere zu den Themen Glasfaser, OTT und AppTV.

Mit mehr als 2.500 Teilnehmern hervorragend besucht wurde laut Veranstalter auch das gegenüber dem Vorjahr nochmals erweiterte Kongressprogramm. Der dritte Kongresstag wurde zum zweiten Mal gemeinsam mit dem Breitbandbüro des Bundes und dem Verband der Anbieter von Telekommunikations[-]- und Mehrwertdiensten (VATM e.V.) als Breitbandtag Smart City veranstaltet und lockte besonders viele Vertreter von Stadtnetzbetreibern, Stadtwerken und Kommunen nach Köln.

Zu den Höhepunkten des Kongressprogramms zählten in diesem Jahr erstmals vier Gipfeldiskussionen mit gleichermaßen hochkarätigen Sprechern aus der Breitband- und der Medienbranche wie Vodafone-CEO Dr. Hannes Ametsreiter, Telekom-Vorstand Dr. Dirk Wössner und freenet-CEO Christoph Vilanek.

Ein Highlight war am 5. Juni 2019 der von DWDL-Chefredakteur Thomas Lückerath moderierte Mediengipfel zum Thema „Streaming als Game Changer für Film und Fernsehen“. Hier diskutierten Conrad Albert (Deputy CEO / Group General Counsel, ProSiebenSat.1 Media), Dr. Thomas Bellut (Intendant, ZDF), Dr. Manuel Cubero (Chief Commercial Officer, Vodafone Deutschland), Matthias Dang (Geschäftsführer Vermarktung, Technologie [&] Daten, Mediengruppe RTL Deutschland), Kathleen Finch (Chief Lifestyle Brands Officer, Discovery), Dr. Christian Franckenstein (CEO, Bavaria Film) und Dr. Christoph Schneider (Geschäftsführer, Amazon Prime Video Germany).

Hintergrund der Panel-Diskussion war die wachsende Relevanz der Streaming-Plattformen wie Amazon Prime und Netflix. Daraus ergibt sich für öffentlich-rechtliche wie für private Sender in Deutschland die Notwendigkeit einer neuen, effizienteren Zielgruppenansprache mit neuen, innovativen, hochwertigen Programmangeboten. Das sorgt für erhöhten Wirtschaftlichkeitsdruck. “Der wird an uns weiter gegeben”, beklagte sich in Köln Bavaria-CEO Franckenstein. “Ich hätte gerne einmal eine positive Nachricht in Richtung wachsender Nettoerlöse bei den Sendern”, sagte er. “Es gibt Wachstum bei den Serndern”, meinte RTL-Vermarktungschef Dang. Die höhere Erlöse würden dann allerdings oft in den Taschen großer US-Technikanbieter landen. Dang: “Wir erleben heute das erste Mal, dass Werbekunden sagen, wir brauchen das lineare Fernsehen, wenn wir etwas bewegen wollen.” Das sei bei Streaming-Angeboten nicht möglich, weil diese ja noch weitestgehend werbefrei seien. Das könne sich aber auch ändern. Laut Amazon Prime Video Germany Geschäftsführer Schneider wird das zumindest bei Amzon Prime nicht der Fall sein. “Wir bleiben werbefrei, haben unsere Eigenproduktionen hoch geschraubt und sind zuversichtlich, dass wir auch bei einer möglichen Konsolidierung des Streaming-Marktes im relevant Set der Nutzer bleiben werden”, betonte er.

“Die Macht darüber, was geschaut wird, lag früher bei den Sendern, heute aber bei den Verbrauchern”, konstatierte ProSiebenSat.1 Deputy CEO Conrad Albert. Sie könnten heute aus einer wachsenden Vielfalt an Angeboten frei wählen und würden mit ihrem Nutzerverhalten die Sender unter Druck setzen. Das führe dazu, dass heute jeder Sender mit jedem anderen kooperiere, wenn es für ihn Sinn mache. Hierbei geht es insbesondere um die Refinanzierung von rechtekosten und die Schaffung höherer Reichweiten. “Wir haben keine Angst vor dieser Entwicklung und freuen uns auf den Wettbewerb”, erklärte er. In diesem Zusammenhang verwies er auf die gemeinsam mit Discovery geplante Streaming-Plattform Join, die am 18. Jni an den Start gehen und lineare Angebote online und on demand anbieten soll. Mit dabei ist auch das ZDF. Die Gespräche mit der ARD seien weit fortgeschritten, berichtete Albert.

“Wir werden mit Join das größte Streaming-Angebot im Markt haben die Streaming-Landschaft in Deutschland damit grundsätzlich verändern. Natürlich soll auch die ARD dabei sein”, sagte er. ZDF-Intendant Dr. Thomas Bellut begrüßte den Start der neuen Plattform ebenso wie die wachsende Kooperationsbereitschaft der Sender untereinander. “Wir müssen allerdings sehr aufpassen, dass wir dabei unser eigenes Profil nicht verlieren. Das ist bei solchen Kooperationen immer die größte Herausforderung”, meinte er.

Kathleen Finsch von Discovery betonte: “Wir sind Plattform-agnostisch aufgestellt und wollen unsere Inhalte so aggressiv wie möglich teilen. Ein gelungenes Beispiel dafür sei der im US-Free-TV sehr erfolgreiche Sender Home [&] Garden (HGTV), der seit dem 6. Juni 2019 auch europaweit mit MX1 via Astra-Satellit (19,2°Ost) angeboten wird.

“Der Fuchs läuft in den Hühnerstall. Jetzt sind sind aufgewacht”, meinte Franckenstein. Beschränkungen in der Zusammenarbeit mit den großen Streaming Anbietern seinen nur durch fehlende Ressourcen, insbesondere auch beim kreativen Personal gegeben. Dabei ginge von der mit 20 Mrd. Euro hoch verschuldeten Plattform Netflix auch eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die TV-Märkte aus.

Was passiert, wenn Netflix seine Flughöhe erreicht hat und keine Abo-Wachstumsraten mehr hat, die nötig sind, um die Schuldenlast zu tragen, fargte er. Es könnte leicht passieren, dass Netflix dann den Markt mit seinen Lizenzen flute. “Das fliegt dann den Produzenten, die jetzt dabei sind, ihrer Kapazitäten der wachsende Nachfrage anzupassen, um die Ohren”, sagte Franckenstein und plädierte deshalb für eine eher vorsichtigen Expansionspolitik. In den Streaming-Angeboten sieht er allerdings auch eine große Chance für die globale Distribution von Content und verwies in dem Zusammenhang auf die Amazon Prime Doku über Borussia Dortmund.

Vodafon-CCO Cubero machte in Köln klar, dass sein Unternehmen nicht in die Produktion einsteigen werde. “Wir sind Content Aggregator und Betreiber eines intelligenten Networks. Und damit fühlen wir uns sehr wohl”, meinte er.

Cubero sprach von einer “neue digitale Revolution”, die erst in den letzten Jahren dazu geführt hat, dass die Netzte heute alles verkraften können. “Das ist letztlich verantwortlich für unser Wachstum”, betonte er. (6/19)

Foto: Mediengipfel auf der ANGA COM 2019 ©empress

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