Factsheets, Clips und Vine Videos

Drei Jahre nach der erfolgreichen Großstadtdoku „24 Stunden Berlin“ lässt ARTE gemeinsam mit dem BR am 12. April das Echtzeit-Format „24h Jerusalem“ folgen. Das europäische Fernsehpublikum ist eingeladen einen Tag dem Alltags- leben in der geteilten Stadt zu folgen von 6.00 Uhr in der Früh bis zum nächsten Morgen. Begleitet wird der Fernseh-Marathon, für den die beiden Sender ihr Regelprogramm frei räumen, von einem innovativen Webprojekt mit inter- aktiven Second Screen-Angeboten.

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Factsheets, Clips und Vine Videos

Der Startschuss für das Webformat fällt exakt 24 Tage vor Ausstrahlung. Interessierte Zuschauer können sich im Netz schon einmal mit einigen Protagonisten vertraut machen; und Projektregisseur Volker Heise wird in seinem persönlichen Videoblog von dem durchaus verrückten Unterfangen berichten, 70 Drehteams zu organisieren und zu dirigieren – und dies vor dem konfliktbeladenen Hintergrund einer Stadt voller Extreme und Widersprüche. Parallel zur Fernsehausstrahlung und dem 24 Stunden Livestream (in drei Sprachen) wird ein maßgeschneidertes Second Screen-Angebot den Sendetag begleiten, das aktuelle Liveeindrücke von den Schauplätzen des TV Programms bietet sowie Zusatzinfos und Grafiken zu Bewohnern, Orten, wie auch zur Historie und den Religionen bereit hält. Die Zuschauer, die es heute gewohnt sind, neben dem TV-Schirm auch ein mobiles Gerät zu nutzen, haben es selbst in der Hand, über einen mobilen Bildschirm sich weiter zu informieren oder sich auch live mit den Redaktionsteams auszutauschen. Als eine Art Countdown 24 Tage bis zur Ausstrahlung des TV-Formats fungiert der Webstart am 19. März, der sowohl informativ auf das Fernsehereignis einstimmen als auch Anregungen liefern will, sich interaktiv zu betätigen. Projektregisseur Volker Heise, Herr über 70 Drehteams, die sich paritätisch aus europäischen, israelischen und palästinensischen Teams rekrutiert haben, gibt dabei in einem Videotagebuch über die Dreharbeiten exklusive Einblicke in die Produktion des außergewöhnlichen Programms. Er berichtet von den fast unüberwindbaren Schwierigkeiten beim Dreh in dieser von historischen und aktuellen Konflikten zerrissenen Stadt, wo ein solches internationales Projekt, das in erster Linie für ein europäisches Publikum bestimmt ist, per se bereits ein Politikum darstellt. Insbesondere auf der palästinensischen Seite, die zweimal mit Boykotts drohte, das Projekt zu stoppen. Und so blieben die Dreharbeiten ein ständiger Ritt auf der Rasierklinge. Das Webangebot soll zunächst einmal Appetit machen auf diesen außergewöhnlichen TV-Tag. Daher werden schon vor der Ausstrahlung Ausschnitte aus dem 24-stündigen Programm zu sehen sein. Zusammengestellt sind zwölf thematische Previews mit spannenden Szenen aus „24h Jerusalem“.

„Wir wollen die Zuschauer auf die Dokumentation einstimmen, was diese am 12. April erwartet“, erklärt ARTE-Redakteurin Sabine Lange im Gespräch mit MEDIEN BULLETIN. „Wir haben zwölf thematisch gebündelte Videos zusammengestellt, die Szenen im familiären Leben im jüdischen und palästinensischen Teil der Stadt darstellen, die Themen wie Schule, Pilger und Touristen oder Siedler in Jerusalem behandeln. Gezeigt wird auch, wie Mauer und Checkpoints das Leben der Menschen beeinträchtigen. Dies sind kleine mosaikartig geschnittene Einblicke, mal als kurze Dialogszene oder auch als atmosphärisch geschnittene Clips“, berichtet sie.
Außerdem sollen die Webuser darüber informiert werden, wie einfach am Sendetag die Synchronisation zwischen TV und Zweitbildschirm erfolgt, um die Zuschauer für das Second Screen-Angebot am Sendetag vorzubereiten. Die redaktionell aufbereiteten Inhalte für den zweiten Bildschirm sollen so einfach wie möglich zugänglich sein. ARTE hat sich in diesem Fall nicht für eine App zum Downloaden entschieden, da dies für ein Format zu aufwendig und kostspielig sei. Und vielleicht schrecke das auch den einen oder anderen User ab, mitzumachen, erläutert Sabine Lange: „Daher haben wir uns für eine Synchronisationsstrategie entschieden, über die der Zweitbildschirm einfach über einen Zahlencode mit dem Fernseher synchronisiert werden kann.“ Dieser Zugangscode erfolgt über die aktuelle Uhrzeit, die während der Ausstrahlung des Programms auf dem Bildschirm eingeblendet ist. Ist gerade 9.36 Uhr, wird 0936 eingetippt und schon ist der zweite Bildschirm synchronisiert. Bei den Second Screen-Inhalten handelt es sich um redaktionell vorbereitete „Factsheets“, die über religiöse Begriffe, historische Kontexte, über Konflikte und Orte sowie auch über die einzelnen Protagonisten Auskunft geben. Diese Factsheets werden zeitsynchron zu den Ereignissen im laufenden Programm angeboten und enthalten Informationen zum Geschehen, die auch in Form von Infografiken, Illustrationen und Karten aufbereitet werden.


Sabine Lange: „Wir haben versucht, eine Balance zu finden, das heißt durchaus das Informationsbedürfnis der Zuschauer zu befriedigen und notwendige Hintergrundinfos zu liefern. Aber wir versuchen diese vorbereiteten Infos sehr knapp zu halten, um die Zuschauer auch nicht zu überfordern. Das TV-Programm ist prioritär, darauf sollen sich die Zuschauer konzentrieren können. Gleichzeitig gehen wir mit diesem Second Screen-Angebot auch auf die veränderten Seh- und Nutzungsgewohnheiten der Zuschauer ein, die heute zunehmend Geräte wie Tablets oder Smartphones nutzen, während sie Fernsehprogramme schauen.“ ARTE hat dazu schon Erfahrungen sammeln können. Etwa mit der Ausstrahlung des crossmedialen Formats „About Kate“ im Vorjahr, das von interaktiven Webformaten und einer App begleitet war. „Da haben wir schon gesehen, dass die Bereitschaft vorhanden ist, solche Zuatzangebote zu nutzen.“
Für „24h Jerusalem“ geht die Redaktion für das Webprojekt noch einen Schritt weiter: Kurze Smartphone-Clips sollen das Programm mit aktuellen Impressionen aus Jerusalem bereichern. Dazu sind Teammitglieder am Ausstrahlungstag noch einmal live vor Ort, die gesamten 24 Stunden lang. Videokünstler, Filmemacher, Fotografiestudenten aus Ost- und Westjerusalem posten 6-Sekunden-Videos mit dem Vine-Tool von Twitter. Diese Teams gehen an die Orte, die in der TV-Doku eine wichtige Rolle spielen, etwa in die Siedlung auf der Westbank mit Blick auf den Tempelberg oder an die heiligen Stätten wie Grabeskirche oder Klagemauer. „Wir bereiten das redaktionell vor und werden im TV-Programm dazu Einblendungen haben, die auf die Second Screen Infos und Clips hinweisen.“ Und auch die Zuschauer sollen die Möglichkeit haben, sich mit Vine-Clips an der Social Media-Kommunikation unter #24hjerusalem zu beteiligen. Eine Auswahl der User-Videos wird in das Second Screen-Angebot integriert. Bei den Sendern ist an diesem Tag ein Moderationsteam im Einsatz, das die Twitter und Facebook-Anfragen betreut und auch mit den Teams in Jerusalem vor Ort Kontakt hält.
Dies alles geschieht live, ist aber in der Redaktion exakt vorbereitet. Für die Web- und Second Screen-Angebote gibt es einen genau getimten Ablauf. Der Aufwand geht weit über den TV-Alltag hinaus; für die innovativen Webinhalte werden eigene Server mit Backups eingerichtet. Es sind komplett eigene Workflows, die parallel zur TV-Ausstrahlung synchronisiert sind. Die Federführung der gesamten Streamabwicklung mit Liveteam liegt bei ARTE in Straßburg. Produzent Thomas Kufus erklärt: „Wir sammeln hier die nötigen Erfahrungen, weil innovative Webformate zur binären Strategie des Senders gehören. Die Verbreitung von qualitativ hochwertigen Programmen auf allen verfügbaren Verbreitungswegen steht dabei im Mittelpunkt. Und unser Ziel ist es, mindestens einmal im Jahr ein größeres Webprojekt in dieser Art zu verwirklichen und hierzu auch eine Vorreiterrolle im Bereich der digitalen Entwicklung einzunehmen.“
Bernd Jetschin

(MB 2/14)
© ARTE/Zero One