Erst am Anfang

Ein Gespräch mit Abdulhamid Juma, dem Vorsitzenden des Internationalen Filmfestivals Dubai, darüber, was das Festival für die arabische Filmindustrie tun kann und die Bedeutung von Frauen für die Entwicklung des arabischen Kinos.

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Erst am Anfang

Welche Strategie verfolgt das Dubai International Film Festival?

Wenn wir über unsere Filmauswahl nachdenken, steht für uns natürlich die Frage im Vordergrund wie wir uns von den anderen Festivals in der Region, etwa denen in Abu Dhabi und Doha, absetzen können, aber auch welche Botschaft wir mit dem Festival aussenden. Einerseits wollen wir den über hundert Nationen, die in Dubai leben, mit dem Festival einen Eindruck geben wofür Dubai steht, wir wollen ihnen Filme präsentieren, die sie sonst nicht sehen können und wir wollen Filmemacher aus aller Welt nach Dubai bringen. Außerdem möchten wir, dass die arabische Welt ihre eigenen Filme macht und sie der Welt präsentieren kann. Das ist ein schwieriges Unterfangen, aber wir sind auf einem guten Weg. Natürlich wollen wir auch die Filmemacher der Vereinigten Arabischen Emirate und der gesamten Golfregion unterstützen. Dafür brauchen wir eine internationale Plattform, die wir mit dem DIFF geschaffen haben. Wir sehen uns als internationales Festival mit arabischem Herzen.

Wie hat sich das Festival seit seiner Gründung entwickelt?

Von den 158 Filmen, die beim 9. DIFF gezeigt wurden, waren 75 arabische Filme. Davon kamen zehn aus den Emiraten und sechs aus anderen Golfstaaten. Insgesamt kamen die Filme aus 61 Ländern und es wurden 43 Sprachen in ihnen gesprochen. Mit dieser Mischung haben wir einerseits das beibehalten, was Dubai ausmacht – seine Internationalität, während wir gleichzeitig eine starke Plattform für arabische Filme waren. 2008 haben wir ein weiteres Festival ins Leben gerufen, das im April stattfindet und das nur Filme von Filmemacher vom Golf zeigt. Das haben wir gemacht, weil wir so viele Einreichungen aus der gesamten Golfregion erhalten haben, dass wir sie nicht beim DIFF unterbringen konnten. Aber wir wollten ihnen einen Ort geben, wo sie eine angemessene Aufmerksamkeit erhalten. In 2001 wurden lediglich 41 Filme in den Emiraten produziert. Und jetzt erreichen uns alleine für das Festival im April 43 Einreichungen aus den Emiraten. Es passiert also viel, aber wir befinden uns erst am Anfang.

Wie wird das Festival von Außen wahrgenommen?

Soweit ich das sehe, sehr gut. Dubai ist ein gutes Beispiel dafür, was die Region in Bezug auf Frieden, Zusammenleben der Nationen und geistigen Austausch leisten kann. Das Festival soll Menschen von überall zusammen bringen, damit man voneinander über die Herausforderungen des Filmemachens lernen kann. Das spiegeln auch die 24 Panels und Diskussionsrunden des Festivals wider. Außerdem wollen wir die Einwohner von Dubai, auch die Einheimischen, dazu bringen ins Kino zu gehen – nicht nur in das Mainstreamkino. Als das Festival gestartet wurde, hat sich kein Araber angestellt, um ins Kino zu kommen. Heute warten sie geduldig in der Kassenschlange. Die Zahl der Zuschauer und der Kinos am Golf steigt. 2004 hatten wir 13.000 Zuschauer beim DIFF und 2011 schon 50.000, eine Zahl, die wir 2012 hoffentlich getoppt haben. Aber wir sind geduldig. Man kann in zehn Jahren nicht ändern, wofür andere Länder über 100 Jahre Zeit hatten.

Warum möchte Dubai eine Filmindustrie entwickeln, wo man sich doch in Teilen der islamischen Kultur schwer tut mit bildlichen Darstellungen? In Saudi-Arabien etwa sind Kinos verboten.

Es gibt Veränderungen, selbst in Saudi-Arabien. Wir haben in einer großen Gala „Wadjda“ gezeigt, den Film einer Filmemacherin aus Saudi-Arabien, der sogar dort gedreht wurde. Letztes Jahr hatten wir zehn saudische Filme beim DIFF, im Jahr davor elf. Man darf sie dort zwar nicht sehen, aber sie machen welche. Wir wollen auf Veränderungen vorbereitet sein und wir glauben, dass „Wadjda“ eine neue Türe, auch für Saudi-Arabien, öffnet. Die Veränderungen betreffen generell das Filmemachen in der arabischen Welt, denn bisher gibt es keine arabische Filmindustrie außerhalb Ägyptens, aber überall werden immer mehr Filme gedreht und wir, das DIFF und Dubai, wollen eine führende Kraft in diesem Wandel sein, denn Dubai kann das! Immer mehr Menschen machen Filme, was bedeutet, dass wir für sie mehr Unterstützung und Förderung brauchen. Wir brauchen auch mehr Filmschulen und wir müssen andere Filmberufe bewerben, denn hier will jeder Regisseur werden. Die meisten Filmemacher in den Emiraten sind übrigens weiblich.

Warum sind die Frauen die treibende Kraft im arabischen Kino?

Filmemacher war kein angesehener Beruf. Aber die Frauen sahen das nicht so, außerdem wollten sie ihre eigenen Geschichten erzählen und sahen Film als das geeignete Mittel dazu. Ihnen geht es nicht nur um Frauenthemen, sondern auch um andere Themen. Männer haben sich nicht sonderlich für das Filmemachen interessiert, weil sie andere Möglichkeiten haben sich auszudrücken.
Thomas Steiger
(MB 02/13)