Nach zahlreichen, vorwiegend bautechnisch bedingten Verzögerungen wird es nun richtig Ernst mit dem lange geplanten Umzug der RTL Mediengruppe in das neue Sendezentrum in Köln Deutz. In den komplett umgebauten „historischen“ Messehallen stehen dort für 2.000 Mitarbeiter 80.000 qm Fläche zur Verfügung.
Produktions- und Sendetechnik inklusive der kompletten IT-Infrastruktur wurde von CBC, dem Produktions-, Broadcast- und IT-Unternehmen der RTL Mediengruppe, geplant und realisiert. CBC ist auch für den operativen Betrieb des neuen, komplett file-basierten Sendezentrums zuständig.
“Unsere Herausforderung bestand darin, ein file-basiertes HD-Medienzentrum über sämtliche Produktions- und Broadcast-Prozesse zu schaffen, das den unterschiedlichen Bedürfnissen aller Unternehmen der Mediengruppe RTL sowie externen Partnern mehr als gerecht wird – und zudem Nachhaltigkeit besitzt”, betont CBC-Geschäftsführer Thomas Harscheidt.
In einer solchen Größe – über sämtliche Disziplinen von Recherche, Pre-Cut-Optionen und Studioproduktionen sowie Postproduktion, Sendeabwicklung und die Anbindung von über 4.000 Arbeitsplätzen weltweit – sei dies einmalig und setze international Maßstäbe. “All dies konnte so nur realisiert werden, weil die dafür relevanten Disziplinen bei CBC gebündelt sind und wir aus einer Hand arbeiten konnten. Außerdem muss man auch die Anwenderseite sehr gut kennen. Denn es nutzt die beste Technik nichts, wenn sie nicht von denen, die damit arbeiten, akzeptiert wird”, betont Harscheidt.
Die Planung des neuen Sendezentrums in Köln-Deutz und deren Implementierung fand während der laufenden Produktions- und Live-Sendebetriebe der TV-Sender statt. Am neuen Standort wird mit HD-Technik produziert. Das gilt auch für die beiden virtuellen TV-Studios (410 qm und 230 qm Fläche). Seit dem 11. September werden dort auch die RTL-News mit „RTL aktuell“ produziert. Die beiden HD-Studios werden zwar primär für Nachrichten- und Magazinproduktionen genutzt können aber auch für andere non-fiktionale Produktionen genutzt werden. Die Studios sind durch eine Raum-in-Raum-Konstruktion akustisch vom restlichen Gebäude entkoppelt.
Zur Grundausstattung des Studios gehören HD-Kameras des Typs Grass Valley LDK-6000, die auf automatisierten Systemen (Technodolly) und Stativen zum Einsatz kommen. Die Formate werden in HD produziert — nur zugespielte Beiträge wird es teilweise noch in SD geben. Das Studio ist mit Virtual-Set-Technik des Typs ProSet von Orad ausgestattet und komplett für virtuelle Produktionen ausgerüstet.
Jedem der beiden Studios ist eine direkt angrenzende HD-Regie zugeordnet. Alle Arbeitsplätze in den Regien sind per KSC-Manager von BFE ansteuerbar. Die Signale beider Studioeinheiten werden über eine gemeinsame, zentrale Kreuzschiene von Evertz (EQX, 288×288) geschaltet und verteilt, welche zusätzliche Flexibilitäten bietet.
Neben den beiden Studios gibt es an Live-Produktionskapazitäten noch weitere Sets, in denen Roboterkameras zum Einsatz kommen. Jedes Set ist an eine eigene Regie angebunden. Kapazitäten für zusätzliche Studiobereiche sind vorhanden.
Besonders in der modernen, bandlosen HD-Studioproduktion zeigt sich laut Harscheidt wie wichtig das Zusammenspiel aus Produktionstechnik und IT ist. “Wir haben die Trennung dieser klassischen Strukturen bereits vor Jahren aufgehoben und die beiden Welten integriert“, berichtet er. Auf die erfolgreiche Integration der beiden Bereiche sei man bei CBC besonders stolz.
Senderelevante Systeme des neuen RTL-Sendezentrums sind redundant an verschiedenen Orten aufgebaut und steuerbar. Harscheidt: “Bei unseren Sendern mit einem hohen Anteil an Live-Produktionen haben Sendesicherheit und Verfügbarkeiten höchste Priorität. Dies galt es von Anfang an bei den Planungen zu berücksichtigen.”
Die TV-Sender und -Produzenten nutzen ein gemeinsames System für die Nachrichten- und Magazinproduktion. Das neue News-System setzt sich aus zahlreichen Standardkomponenten zusammen, die CBC mit eigen entwickelten Hard- und Software-Modulen maßgenau auf die Bedürfnisse angepasst hat. Ziel ist es, die Bereiche Dispo, Themenplanung, Redaktionssystem, Ingest, Editing, Rights- und Materialmanagement, Postproduktion und Sendeabwicklungen mit einem eng verzahnten und vernetzten Gesamtsystem komplett abzudecken. Die Abläufe sind so angelegt, dass Beiträge im Redaktionssystem vorbereitet, Änderungen von der Regie aber bis zur letzten Sekunde vor Ausstrahlung vorgenommen werden können. Als zentrales System in der Nachrichten- und Magazinproduktion ist NCPower Pro von Norcom im Zusammenspiel mit VPMS (Video Production Management System) von S4M.
Audio und Intercom
CBC setzt am neuen Standort im Studiobereich zwei Audiomischpulte des Typs Lawo MC290 ein. Beide sind am Router des Typs Nova 73HD angeschlossen. Auf Knopfdruck lassen sich mit den Lawo-Pulten individuelle Settings abrufen. Die Lawo-Audiorouter sind mit Madi-Client-Boards in der Riedel-Kommunikationsanlage integriert.
In den Studioregien mit zwei Riedel Artist 128 Mainframes ausgestattet, weitere sind im Hauptschaltraum eingebaut. Die Interkom-Anlage ist redundant als Ring aufgesetzt, und so gegen Havarien geschützt.
Postproduktion
Am neuen Kölner Standort wird in 56 Edit-Suiten durchgängig Final Cut Pro von Apple eingesetzt; in 11 Audio-Suiten kommen ProTools und Nuendo zum Einsatz.
Die Postproduktionen sind räumlich nah an den Redaktionsräumen angesiedelt. Für jeweils zwei Schnitträume steht eine gemeinsame Sprecherkabine zur Verfügung. In den Schnittplätzen gibt es keine eigenen Zuspieler mehr, die Systeme arbeiten vollständig bandlos und nonlinear über einen zentralen Speicher.
Für News und Magazin-Formate sind alle Final-Cut-Systeme via Fibre Channel an einen zentralen und ebenfalls redundant ausgeführten Speicher von Data Direct angebunden. Er fasst mit 108 TB Kapazität rund 3.500 Stunden Video- und Audio-Material, die jeweils im direkten Zugriff der Arbeitsplätze vorgehalten werden.
Zusätzlich kommen separate XSAN-Umgebungen mit unterschiedlichen Speicherkapazitäten zum Einsatz. Die Produktionseinheiten sind via DataMover vernetzt, so dass ein File-Austausch immer möglich ist.
Neben dem Arbeiten in Edit-Suiten haben Redakteure auch an ihren Arbeitsplätzen Zugriff auf das gesamte Videomaterial in LoRes-Qualität. Dort können Beiträge bereits (vor-)geschnitten werden. Nach dem Schnitt mit LoRes-Material dient die dabei erzeugte EDL (Edit Decision List) dann dazu, das HiRes-Material entsprechend zu rendern. An ihren Arbeitsplätzen können die Redakteure auch vertonen und es ist möglich, Grafikvorlagen (Templates) im Redaktionssystem auszuwählen, mit den entsprechenden Infos zu füllen und diese später ins On-Air-Grafiksystem zu übermitteln.
CBC hat ein dreistufiges Speichermanagement etabliert, mit dem schnellen Online-Speicher (3.500 Stunden), einem plattenbasierten Jahresspeicher (6.000 Stunden) sowie einer erweiterbaren Data-Tape-Library, die derzeit auf rund 12.000 Stunden Material ausgelegt ist.
Auch die weltweiten Außenredaktionen arbeiten mit diesem Redaktionssystem, können auf den Online-Speicher zugreifen und dort archiviertes Material direkt in den eigenen Beiträgen verwenden.
EditPipe als Projektmanager
Die Festlegung auf Final Cut Pro (FCP) bietet laut CBC viele Vorteile, was die Lizenzen, Support und Infrastruktur betrifft. Allerdings sei Final Cut Pro nicht für ein umfangreiches vernetztes Arbeiten in einer großen Broadcast-Umgebung konzipiert, heißt es.
Daher hat CBC in einer Entwicklungspartnerschaft mit Apple die Software EditPipe entwickelt. Das ist eine Art für Broadcast-Zwecke optimierte Projektsteuerung für FCP, die das Programm an die besonderen Anforderungen von CBC anpasst.
EditPipe löst ein Problem, das in der grundlegenden Arbeitsweise von FCP angelegt ist: Erstellt man in FCP einen Videobeitrag, wird dafür zunächst innerhalb des Schnittprogramms ein Projekt angelegt und innerhalb dieses Projekts werden dann alle Quellen des Beitrags angesprochen und verwaltet. Im aktuellen Betrieb eines TV-Senders würde also innerhalb kurzer Zeit eine Unmenge an Projekten und Beiträgen entstehen: Bei CBC sind dies durchschnittlich rund 1.000 einzelne Beiträge pro Woche. Per File-Explorer ist diese Menge nicht mehr produktiv verwaltbar.
Hier setzt EditPipe an und schließt die Lücke zwischen dem Redaktionssystem NCPower und VPMS auf der einen und zwischen FCP und ClipJockey auf der anderen Seite. Die Software läuft als native MacOS-X-Software auf jedem Mac-Schnittplatz und ist automatisch Bestandteil der Menüstruktur von FCP. Das System besteht aus den Modulen Projektmanagement, Cutlisten-Import für FCP, einem Export-Plug-In sowie AudioPipe, einer Verknüpfung von Quicktime-Video und Audio-Wav-Dateien, die in der Tonnachbearbeitung entstanden sind.
Den kompletten Report über das neue RTL-Sendezentrum lesen Sie in der Oktober-Ausgabe von MEDIEN BULLETIN. (09/10)