SailGP: Angetrieben vom Wind und guten Ideen

Bei der SailGP trifft hochspannende Segelaction auf ein anspruchsvolles Remote-Produktionskonzept, für das Riedel Communications vor Ort bei den Grands Prix maßgeblich verantwortlich ist.

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Segelrennen für ein Fernsehpublikum aufzubereiten ist äußerst schwierig. Das Reglement ist für Nichtsegler recht kompliziert, die Regattastrecke, der Rennverlauf und die Strategie je nach Wind, Wellen und Strömungsverhältnissen auf offener See unübersichtlich. Erst durch moderne Übertragungstechnik mit ihren vielfältigen grafischen und bildlichen Darstellungsmöglichkeiten ist es möglich geworden, das Renngeschehen leicht verständlich zu machen und spannende TV-Formate zu entwickeln, die die Zuschauer in ihren Bann ziehen.

Davon will auch die Segelrennserie SailGP profitieren. SailGP ist ein noch recht junger internationaler Segelwettbewerb mit Hochleistungs-Foiling-Katamaranen, sogenannten F50, bei dem die Teams in einer Saison bei mehreren Grands Prix auf der ganzen Welt gegeneinander antreten. Die ultraleichten Carbon-Yachten werden bei gutem Wind dabei bis zu 100 Stundenkilometer schnell. Sie erfordern dabei höchste Konzentration und präzise Handhabung der jeweils sechsköpfigen Crews. Derzeit ist die vierte Saison in vollem Gange. Das australische Team um den Elite-Skipper Tom Slingsby versucht im südspanischen Cadíz, seinen Titel aus dem Vorjahr und die Führung im aktuellen Classement zu verteidigen. 

Remote-Produktionskonzept der SailGP

Für die Broadcast-Übertragung setzt die Segelregatta-Serie auf ein Remote-Produktionskonzept. Vorrangiges Ziel ist es, nachhaltiger und kostengünstiger zu produzieren. Aus diesem Grund wurde die Regie in die Timeline Television Studios in Ealing bei London verlegt. Alle Signale dorthin laufen über ein Netzwerk von Tata Communications. Zuvor werden die Signale jedoch an den jeweiligen Rennstrecken gebündelt und aufbereitet – eine schwierige Aufgabe, wenn man bedenkt, wie viele Drahtlossignale über weite Strecken unterbrechungsfrei gesendet werden müssen. 

Enge Manöver bei hohen Geschwindigkeiten erfordern ein präzises Händchen der Driver auf den Yachten

Als wichtiger Partner setzt die von Russell Coutts und Larry Ellison gegründete SailGP daher auf Riedel Communications. Das Team um Thomas Riedel konnte in der Vergangenheit schon bei der TV-Produktion des wohl prestigeträchtigsten und ältesten Segelrennens der Welt, dem America’s Cup, als Hostbroadcaster mit Technik und Expertise unterstützen. Damit auch die SailGP zu einem kommerziellen Erfolg wird und der Sport an Bekanntheit über die Segelwelt hinaus gewinnt, ist Riedel seit Anbeginn der Serie in so gut wie alle Aspekte der Produktion eingebunden – von der Wireless-Kontribution der Bilder von den Rennyachten, Kamera-Booten und -Helikoptern über die Bereitstellung von Team- und der Produktionscrew-Kommunikation bis hin zu der technischen Ausstattung der Coaches mit einem Replay-System. Letzteres ist eine absolute Neuheit in dieser Saison. 

Replay-System für die Coaches

Eine Neuheit, die vor allem auch durch Thomas Riedels Engagement als Co-Eigner von Team Germany zu Stande kam. „Zuerst waren wir als Supplier hier und haben ähnlich wie bei der Formel 1 oder den Olympischen Spielen unsere Technologien eingesetzt. Dann kam die Chance, ein deutsches Team auf die Beine zu stellen.

Beste Sicht auf das Renngeschehen – neues Technik-Setup für die Coaches

Im Ganzen ist das jetzt das perfekte Setup, um ein Format von zwei Seiten aus mitzuentwickeln”, erzählt Riedel und erklärt, wie er das meint: „Wie gut das funktioniert, lässt sich anhand der Coaches zeigen. Die waren bei Rennen bis jetzt immer mit auf dem Wasser unterwegs. Jetzt wussten wir als Teil der Serie und als Team Germany, dass die Coaches nicht mehr auf dem Wasser mitfahren sollten, um nachhaltiger zu werden. Da konnten wir wiederum mit Riedel Technik unterstützen und ein SimplyLive-RefBox-System bereitstellen, das den Coaches von Land eine verbesserte Übersicht und Analysemöglichkeiten bietet.”

SimplyLive-Technik

Verschiedene Kamerasignale und Daten stehen den Trainern zur Analyse zur Verfügung

Eine Scafffolding-Struktur mit bester Sicht auf die Rennstrecke bietet den zehn Coaches in zwei Reihen Platz für ihre Arbeit. Jeder der Coaches verfügt über einen Touchscreen, das über einen IP-Link mit den SimplyLive-Videoservern im Broadcast-Compound verbunden ist. „Die Coaches können wie in der klassischen Slomo-Anwendung auf der Timeline vor- und zurückspulen. Gleichzeitig können Clips erstellt und exportiert werden, die kurze Zeit später in der Cloud zur Verfügung stehen. So können die Teams direkt nach dem Rennen die Nachbesprechung durchführen”, erklärt Jonas Badura, der für Riedel das Projektmanagement bei der SailGP übernimmt.  

Medientechnik der F50-Rennyachten

Damit es für die Coaches auf den Muliviewern und die Zuschauer vor den Bildschirmen zuhause etwas zu sehen gibt, werden eine Reihe drahtloser Kameras zu Wasser und in der Luft eingesetzt. Insgesamt befinden sich auf jeder der zehn Rennyachten zwei spezielle und für den Einsatz im Salzwasser entwickelte Kameras.

Vorne eine PTZ-Kamera und hinten eine fixe Kamera, die sich beide dank integrierter Waschdüsen und Scheibenwischer selbst reinigen können. Zusätzlich fangen drei Kameraboote, zwei Helikopter und drei weitere Drahtloskameras die spektakulären Bilder ein. Testweise wurden in Cadíz zudem PTZ-Kameras im Coachingbereich eingesetzt. Für die drahtlose Übertragung der Video-, Daten- und Kommunikationssignale von den Booten und Helikoptern entwickelte Riedel eine spezielle Antenne, die sogenannte Mast-Head-Unit, die eine saubere Trennung der einzelnen Signale übernimmt.

Zusätzlich ist auf jedem Boot (und in den Helikoptern) ein Mediacase installiert, das Herzstück der Daten-, Audio- und Video-Mediensysteme. „Bildtechnisch generieren wir auf jeder Yacht ein 4K-Fullframe und machen daraus vier HD-Quadranten. So müssen wir auf einer Frequenz nur ein Bild senden, was wir dann in vier Bilder in HD dekodieren können. Das spart sehr viele Ressourcen”, sagt Badura. 

„Fast noch wichtiger als die Videoübertragung ist allerdings der Kommunikationsteil”, findet Jeff Strössner, Program Director bei der SailGP. „Alle Athleten auf den Booten müssen gut verständlich untereinander und mit dem restlichen Team kommunizieren können. Dafür haben wir unser ohnehin schon sehr robustes Bolero-System salzwasserfest gemacht und spezielle Headsets entwickelt, die ebenfalls den extremen Bedingungen standhalten können.” Im Durchschnitt werden pro Veranstaltung 250 Boleros eingesetzt. Diese teilen sich auf Bolero Standalone Systeme auf den Booten und Bolero Integrated Systeme auf. 

Broadcast-Compound der SailGP

Der Broadcast-Compound besteht bei der SailGP im Wesentlichen nur aus einem 40-Fuß-Container, der mit der Serie um die Welt reist, wie Badura verrät: „Dazu mieten wir vor Ort im Prinzip nur noch ein paar Bürokabinen an, um etwas mehr Platz zu haben. Und das war’s.” 

Alle 19 Drahtlossignale, die insgesamt 28 Kameras beinhalten, werden über zwei mit Antennen ausgestattete Steiger im Broadcast Compound empfangen. Dort werden die Signale für Embedding und Deembedding in das Mediornet eingespeist und decodiert. Bilder und Mesh-Daten werden geprüft, bevor sie für die 1080i50-Produktion nach London in die Regie der Timeline Studios, zu weiteren Dienstleistern oder zur SailGP übertragen werden. „Wir haben unsere Data-Mesh-Lösung, Intercom und das Tetra-Funksystem an das Mediornet angebunden und so eine vollständige Vernetzung der Systeme erreicht”, erklärt Badura.

Im Herzen des Broadcast-Compound, einem 40-Fuß-Überseecontainer

Intercom-System

Als Intercom-System setzt Riedel auf seine Artist-Serie. Neben zwei 128 G2-Frames kommt im Broadcast-Compound auch ein 1024-Frame zum Einsatz. Diese sind global vernetzt, um die Kommunikation zwischen der Regie in London, den dezentral arbeitenden Schiedsrichtern, der Techsite und dem Broadcast-Compound zu gewährleisten. 

Während die, mit VoiP-Karten bestückten, 128 G2 Artist Frames sämtliche Nodes über Trunking miteinander verbinden, nimmt die 1024 sämtliche AES67 Streams von den Bolero-Systemen auf. Auch die MADI-Integration verschiedener virtueller Maschinen und die Einbindung von Mediornet zum Austausch aller Signale erfolgt über die 1024. 

Zwei Steiger auf dem Broadcast-Compound senden und empfangen die Signale über verschiedene Antennen

Signalverteilung vor Ort

Als zentraler Knotenpunkt für die Signalverteilung vor Ort wurde für den Grand Prix in Cadiz eine Darkfiber-Verbindung von Telefonica angemietet. Darauf aufbauend realisierte Riedel eine Infrastruktur mit insgesamt 30 Gigabit Datendurchsatz. Für Badura ein optimales Setup: „Das ist perfekt, denn so können wir die Mediornet TDM-Systeme anschließen, ohne auf IP umstellen zu müssen. Wir haben also keine Latenz dazwischen. Für die Übertragungssicherheit haben wir im Wesentlichen vier Optionen, die vollständig redundant geschaltet sind. Wir können über Dark Fiber gehen, wir können aber auch über eine Layer 2- oder Layer 3-Verbindung gehen und wir können komplett über mobile Daten gehen. Wenn eine unserer Verbindungen ausfällt, wird immer automatisch auf die nächste Option umgeschaltet.” Eine ausfallsichere Sache also.

Trotz der bereits hochtechnisierten Regattaserie und dem aufwändigen Broadcast-Setup bleibt abzuwarten, wie sich die SailGP noch weiterentwickeln wird. Glaubt man Thomas Riedel, wird der Wille zur Innovation und zu immer mehr Nachhaltigkeit in Zukunft für viele spannende Veränderungen sorgen. „SailGP ist einfach toll. Die Bilder sind fantastisch. Selbst wenn man nichts vom Segeln versteht, sind die Bilder dieser wirklich beeindruckenden Yachten erst einmal toll. Aber wenn man dann tiefer einsteigt und versteht, wie dieses Racing funktioniert, dann ist es so spannend wie ein Formel-1-Rennen. Dann hängt man aber richtig dran”, erklärt Riedel begeistert.

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