Globalisierung des Fernsehgeschäfts

In Zeiten sinkender Senderbudgets sind Koproduktionen oftmals die Lösung, um hoch qualitative fiktionale Programme produzieren zu können. Events wie die Industry Week beim RomaFictionFest haben deshalb Hochkonjunktur, da sie der Branche eine Plattform bieten, um sich mit internationalen Partnern über Projekte auszutauschen.

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Globalisierung des Fernsehgeschäfts

Mehr als hundert internationale Fernseheinkäufer, Redakteure und Produzenten aus 40 Ländern folgten der Einladung zur Industry Week in Rom zu den RomaTvScreenings und dem RomaTvPitching. „Unser Ziel ist, die Internationalisierung der italienischen Fiktion-Produktion voran zu treiben“, erklärt Antony Root, Leiter der Industry Week. Dies geschehe zum einen mit den RomaTvScreenings, bei denen den internationalen Einkäufern die Programme von RAI Trade, Mediaset, Sky Italia und den Fox Channels Italy vorgestellt werden.

Auf wachsendes Interesse stößt das RomaTvPitching, das der kanadische Branchen-Veteran Pat Ferns seit vier Jahren im Rahmen des RomaFictionFest organisiert. Beim Coproduction Pitching Competition sowie beim Speed Dating erhalten Produzenten die Möglichkeit, internationalen Sendervertretern ihre geplanten Serienformate, TV-Movies, Miniserien oder Doku-Fiction-Projekte vorzustellen. „Es gibt eine deutliche Tendenz zu Doku-Fiction“, konstatiert Pat Ferns, „da die Produktion von Drama vielen Sendern oftmals zu teuer ist.“ Die Fernsehstationen spürten die Rezession, was sich in sinkenden Budgets niederschlage.

Den ersten Preis beim Pitching gewann die italienische Produzentin Simone Morandi für die futuristische Sitcom „The Eves – Life without Adam“ über eine feministische Frauengruppe im Weltall, die in dem selbst gewählten Exil ihre Unabhängigkeit vom männlichen Geschlecht auslebt. Der Pitching-Preis für das beste Projekt in der Kategorie Docu-Fiction ging an Federico Minetti und Paolo Cammarano für das TV-Movie „Don Elvis” über einen rumänischen Priester, der ein heimliches Doppelleben als Interpret von Elvis Presley-Songs führt.
„In Italien ist der Fernsehmarkt aufgrund der wenigen Sender sehr lokal strukturiert“, erläutert Antony Root. „Da weniger Mittel vorhanden sind, wird es immer wichtiger, Programme in Koproduktion zu realisieren und international zu verkaufen.“ Während Familien-Sendungen, Action-orientierte Filme und Literaturverfilmungen sich besser im Ausland vermarkten ließen, seien italienische Komödien weitaus schwerer zu exportieren. Bereits auf der MIP-TV habe sich heraus kristallisiert, dass die Devise „denke global, handle lokal“ heute „denke global, handle global“ heißen müsse.

„Die Globalisierung des Fernsehgeschäfts ist mit neuen Herausforderungen und Möglichkeiten verbunden“, unterstreicht Root. „Bei der Industry Week konzentrieren wir uns auf die Möglichkeiten. Bei uns können neue Kontakte geknüpft und bestehende Verbindungen vertieft werden.“ Dazu gehöre, zunächst die anderen Märkte besser kennen zu lernen, um sie entsprechend mit passenden Produktionen bedienen zu können. Da die sinkenden Budgets im Fiktion-Bereich eine globale Entwicklung darstellten, eröffne die Industry Week den Produzenten die Chance, sich enger miteinander zu vernetzen.

Internationale Koproduktionen gehören in der Fernsehbranche jedoch noch längst nicht zum Produktionsalltag. Die Angst vor dem „Europudding“ hat die internationale Zusammenarbeit im Fernsehbereich bisher oft verhindert. „Die wirtschaftlichen Zwänge der Sender schlagen jetzt stärker durch“, beobachtet Philipp Kreuzer, Vice President International und Co-Production der Münchener Bavaria Media. Da selbst große Sender hoch qualitative fiktionale Programme nicht mehr allein finanzieren könnten, gehe der Trend zu Koproduktionen. „Die Produzenten sind gefragt, auch Partner für eine Kofinanzierung vorzuschlagen und entsprechend geeignete Stoffe zu entwicklen und anzubieten.“ Bei einer Koproduktion müsse zunächst geprüft werden, ob es für den potenziellen Produktionspartner überhaupt sinnvoll sei, sich an dem entsprechenden Projekt zu beteiligen. „Bei einer internationalen Koproduktion fallen immer zusätzliche Kosten an, nicht nur Übersetzungen und Reisekosten“, erläutert Kreuzer. „Daher muss der Produktionspartner wissen, was er dafür bekommt und abwägen, ob die Koproduktion Sinn macht.“ Oft werden Koproduktionen viel zu spät eingefädelt. Steigt ein Produzent erst drei Monate vor dem Drehbeginn in eine Produktion ein, kann er zu diesem Zeitpunkt seinem nationalen Senderpartner keinen redaktionellen Input mehr gewährleisten. „Eine echte Koproduktion benötigt daher Zeit, weil die Co-Entwicklung die Basis dafür bildet“, meint der Bavaria Media Manager. Während die internationale Vernetzung im Kinofilmbereich bereits stark voran geschritten ist, steht diese Entwicklung im Fernsehbereich noch am Anfang. „Mit der Industry Week füllt das RomaFictionFest eine Lücke“, sagt Kreuzer, „denn anders als für Spielfilme gibt es bisher nur wenig vergleichbare Events für die TV-Branche in Europa.“

Eine große inhaltliche Herausforderung für die Europäer sei, eine lang laufende Serie in internationaler Koproduktion zu realisieren. „Die europäischen Koproduktionen beschränken sich bisher vor allem auf Mini-Serien und Einzelstücke. Länger laufende Serien sind hingegen oft lokal produziert oder werden als Format oder fertiges Lizenzprodukt eingekauft.“ Um entsprechende Formate in Europa zu produzieren, müssten sich mehrere Partner zusammenschließen, da die lokalen Märkte dafür allein zu klein seien. Für Bavaria sei Italien ein sehr interessanter Markt im Vertrieb und genauso in der Produktion. „Deutsches Programm ist beliebt in Italien, da es dort ähnliche Zuschauer-Affinitäten gibt, vor allem im Bereich Melodram, Romance und Family“.

Derzeit befindet sich bei Bavaria ein TV-Projekt mit einem italienischen Partner in der Co-Entwicklung. „Gerade bei größeren Koproduktionen ist es wichtig, dass schon frühzeitig ein Weltvertrieb an Bord ist, weil dieser das Vertriebspotenzial eines Projektes einschätzen kann und damit wichtige Impulse in der Entwicklung geben kann“, weiß Kreuzer. Das Modell, als Koproduzent und Weltvertrieb in ein Projekt involviert zu sein, biete hier klare Vorteile. Zudem erhöhten die vom Weltvertrieb getätigten Vorverkäufe die Chance, für Fördermittel des MEDIA-Programms der EU selektiert zu werden. „MEDIA unterstützt die grenzüberschreitende Ausstrahlung von europäischen TV-Programmen in Europa. Daher werden Produktionen gefördert, die das Potenzial haben, in Europa in mehreren Ländern gezeigt zu werden. Je mehr Vorverkäufe erfolgt sind, desto mehr wir dadurch das Zirkulationspotential unterstrichen.“ Bei einer Koproduktion müsse immer ein Produzent die Federführung haben. Und bei der Suche nach Partnern müsse man gezielt vorgehen, die jeweiligen Bedürfnisse antizipieren und entsprechend selektieren. „Ein Produzent muss seine Hausaufgaben machen und sich schlau machen, was in den potentiellen Partnerländern erwartet wird“, meint Kreuzer.

Manche Formate funktionierten zwar im Ausland, jedoch nicht in Deutschland. Gleiches gelte für bestimmte Genres. Ziel sei daher ein Programm zu entwickeln, welches den Sendern in den beteiligten Ländern gefalle und dabei die üblichen inhaltlichen Kompromisse so klein wie möglich halte.
Ein derartiges Potenzial besitzt die im EU-Parlament angesiedelte Krimi-Serie „Babylon“, welche die dänische Dogma-Schmiede Zentropa in europäischer Koproduktion mit Partnern in Frankreich und Irland sowie der Unterstützung der EBU realisiert. Beim Pitching-Wettbewerb in Rom stieß der dänische Producer Peter Engel mit dieser Euro-Noir-Serie, für die ein deutscher Regisseur verpflichtet werden soll, auf positive Resonanz.
„Das RomaFictionFest ist ein wichtiges Event für die Fernsehbranche“, resümiert RomaTvPitching-Chef Ferns, „weil es die Produzenten zusammenbringt.“ Birgit Heidsiek
(MB 09/10)