Mehr Kooperationsbereitschaft

Die Kölner Kongressmesse für Kabel, Breitband und Satellit, ANGA Cable, meldete in diesem Jahr einen erneuten Aussteller- und Besucherrekord. Erstmals kamen mehr als 16.500 Fachbesucher in die Domstadt. Dies bedeutet einen Zuwachs von sechs Prozent gegenüber 2010 und eine Verdoppelung der Besucherzahlen innerhalb von fünf Jahren. Wichtiger Themen-Schwerpunkt das Fernsehen der Zukunft (Next TV) mit Hybrid-, Catch-up- oder Over-the-Top-Angeboten.

5
Mehr Kooperationsbereitschaft

Der Rundfunk ist im Wandel. Die Technologien zur Verbreitung von Inhalten ändern sich und mit ihnen das Mediennutzungsverhalten der Menschen. Alte Medien-Geschäftsmodelle sind überholt. Kein Wunder, dass Kongressmessen wie die ANGA Cable regen Zulauf verzeichnen. Alle Player im Markt suchen Orientierung, Austausch oder Schulterschluss mit potentiellen Partnern. Thomas Braun, Präsident des Verbandes Deutscher Kabelnetzbetreiber (ANGA), Veranstalter der ANGA Cable, konnte dann auch wieder stolz neue Aussteller- und Besucherrekorde verkünden: Die Zahl der Aussteller auf der ANGA Cable (aus 37 Ländern) hat sich gegenüber dem Vorjahr von 395 auf 420 erhöht, die Standfläche wurde um 15 Prozent erweitert. Erstmals wurden zwei Ebenen einer Halle für die Ausstellung genutzt. Die verfügbaren Flächen waren bereits im März restlos ausverkauft. 16.500 Fachbesucher, darunter eine wachsende Zahl aus dem Ausland, kamen in die Domstadt. 1.600 davon nahmen auch am messebegleitenden Fachkongress teil.

„Die Breitband- und TV-Branche boomt und die ANGA Cable bietet ihr den perfekten Marktplatz. Besonders der kontinuierliche Glasfaserausbau und der Marktstart hybrider TV-Angebote haben sich als Innovationstreiber erwiesen“, erklärte Braun.

Und Herbert Strobel, Vorsitzender des Fachverbandes Satellit [&] Kabel im ZVEI (Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V.) fügte hinzu: „Unsere Erwartungen sind erneut übertroffen worden. Auch die Erweiterung der Standfläche hat sich als voller Erfolg erwiesen und zu einer nochmaligen Aufwertung der Veranstaltung beigetragen. Die ANGA Cable ist für die Industrie ganz klar die Nummer eins für Kabel, Breitband und Satellit in Europa“.

Die meisten Diskussionen auf der diesjährigen ANGA Cable drehten sich um das Fernsehen der Zukunft (Next TV) und dafür nötigen Infrastrukturen wie die Next Generation Networks (NGN). Im Kongressteil wurden intensiv Fragen der Netzneutralität und des diskriminierungsfreien Zugangs zu den Verbreitungsplattformen diskutiert. Auch die Abschaltung der digitalen Satellitenübertragung im April kommenden Jahres wurde diskutiert. „Um den damit einhergehenden Anforderungen gerecht zu werden, müssen noch viele Kabelkopfstationen umgerüstet werden. Die ANGA bietet dafür eine ideale Informationsquelle“, sagte Braun.

Die Kabelnetzbetreiber haben zwar ihre Netze heute schon weitgehend digitalisiert, bieten aber dennoch analoge Zugangsmöglichkeiten an. Das soll auch nach dem analogen Switch-Off der Satelliten eine ganze Weile so bleiben. „Kabel soll einfach bleiben. Der Kunde muss erst noch lernen, was Digitalisierung eigentlich bedeutet. Solange 40 Prozent der Bürger nicht wissen, was analoger Switch-off ist, bleiben wir bei analog“, sagte Braun. „Wir setzen lieber auf kontinuierlichen Netzaufbau.“ Die Kabelnetzbetreiber würden seit Jahren über 20 Prozent ihrer Einnahmen in den Ausbau der Netze investieren. Im übrigen TK-Bereich würden die Unternehmen hingegen gerade mal elf Prozent in technische Innovationen stecken. Der Chef-Lobbyist der Kabelnetzbetreiber nutzte seine ANGA Cable-Ansprache dazu, um die Vorzüge der Kabelnetze zu betonen und die Telko-Wettbewerber in ihre Schranken zu weisen. „24 Millionen Haushalte werden mit Breitbandkabel versorgt.

Kabel ist technisch überlegen und kann alles – auch Internet und Telefonie“, sagte er. 39 Prozent aller Kabel-Neukunden würden sich heute für Breitband-Internet-Anschluss via Kabelnetz entscheiden. Das biete eine Datenrate von bis zu 120 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) und damit deutlich mehr als VDSL aktuell zu leisten vermag. Die Deutsche Telekom fürchtet deshalb die Konkurrenz der Kabelnetzbetreiber und rufe nach dem Regulierer. „Die Telekom soll sich lieber mal dem Wettbewerb stellen“, meinte Braun. Insgesamt liege der Anteil der Internet-Nutzer, die via Kabelnetz ins Web gehen, schließlich erst bei rund elf Prozent.
Braun sprach sich auch gegen den im Rahmen der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes diskutierte Einführung eines staatlich geförderten Breitband-Universaldienstes zur Breitband-Grundversorgung aus. „Das schadet dem Markt und verzerrt den Wettbewerb. Wir fordern stattdessen ein Festhalten am Technologie-Mix. Staatliche Förderung sollte nur in strukturschwachen Gebieten erlaubt sein“, meinte Braun.

Erstmals zur ANGA Cable gab es am Eröffnungstag zwei sogenannte Elefantenrunden mit hochkarätigen Teilnehmern – den Breitbandgipfel mit dem Titel „Kabel, Glasfaser und LTE – Wer regiert die neue Breitbandwelt?“ und den Fernsehgipfel zum Thema „TV goes online – Chancen und Risiken“.
Zuvor präsentierte Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur, seine Keynote. „Wir brauchen eine Breitbandstrategie und neue Businessmodelle, um auch in ländlichen Regionen die Breitbandversorgung zu gewährleisten“, forderte er. Die Einführung der neuen Funktechnik LTE sei für das flache Land interessant. Auch Gemeinden sollten dabei einen Kostenbeitrag leisten. Die oft kritisierten und von Braun zuvor angesprochenen Einstrahlstörungen bei Endgeräten durch LTE gebe es nicht. „Mir ist bislang kein Fall bekannt. Ich hoffe, dass das auch so bleibt“, sagte er. Bislang seien schon 1.000 LTE-Sendestationen deutschlandweit in Betrieb.

Wie Braun sprach sich auch Kurth gegen einen Breitband-Universaldienst aus. „Wir brauchen stattdessen mehr Infrastrukturwettbewerb. Und die Verbraucher müssen die Entwicklung mittragen. Ich halte nichts von politikgetriebenen Konzepten“, sagte er. Die angebotenen 100 Mbit/s-Breitandanschlüsse müßten dem Nutzer auch echten Mehrwert mit Blick auf Inhalte und Dienste bieten. Ansonsten reichten auch 16 Mbit/s-Anschlüsse. Kurth wies wie Braun die von der Telekom geforderte Regulierung der Kabelnetzbetreiber zurück. „Wo Wettbewerb ist, ist keine Regulierung erforderlich”, betonte er. Der Präsident der Bundesnetzagentur sprach sich auch für offene Plattformen aus. „Wir wollen den Konsumenten doch nicht zurück in den Walled Garden prügeln“, meinte er. Man benötige heute vielmehr faire Geschäftsmodelle und verbraucherfreundliche Lösungen. „Apple und Google finden Zugangswege die einfach sind. Daran müssen wir uns orientieren“, erklärte er. Kurth plädierte für stärkere Kooperationen der Marktplayer und für eine technische und kommerzielle Verbindung der Netze. „Die Next Generation Networks können auch interoperabel miteinander funktionieren“, sagte er.

Das Festhalten der Kabelnetzbetreiber an der analogen Übertragung passt so gar nicht zu der sehr zukunftsorientierten Diskussion auf der ANGA Cable in Richtung Next-TV. Es ist aber vielleicht auch gerade bezeichnend dafür, dass die Schere im Medien-Nutzerverhalten der Menschen weiter auseinander geht. Den einen reichen ein paar Standardprogramme linear serviert und die anderen wollen die ganze Bandbreite crossmedialer Inhalte überall und jederzeit nutzen können. Wie sich Letzteres am Ende vor dem Hintergrund der zunehmenden Medienmarkt-Fragmentierung und Plattformvielfalt wirtschaftlich umsetzen lässt – auch das wurde auf der ANGA Cable deutlich – ist noch mit vielen Fragezeichen behaftet. Die Technologien für neue Geschäftsmodelle in der digitalen Medienwelt sind zwar weitgehend vorhanden, aber viele Rahmenbedingungen unter anderem im Bereich der Regulierung und der Lizenzrechte, sind noch sehr unzureichend geklärt. Und nach wie vor gibt es noch zu starke Ressentiments der verschiedenen Marktkräfte untereinander.

Insofern machte Kurths Aufruf zu mehr Kooperationsbereitschaft und Miteinander viel Sinn. Weitgehend einig war man sich allerdings darin, dass der Glasfaserausbau näher an die Haushalte herangeführt werden muss. „Der Trend geht stärker hin zur Individualkommunikation. Und dafür brauchen wir deutlich mehr Bandbreite und stabile Backbone-Netze: Am Ende des Tages werden in urbanen Gegenden alle Haushalte Glasfaseranschlüsse haben“, brachte es Hans Konle, seit Anfang Mai neuer Sprecher der Geschäftsführung von NetCologne, auf den Punkt. „Wenn wir heute nicht in die Netze investieren, dann können wir den Bandbreitenbedarf in fünf Jahren nicht abdecken“, meinte er. Kein Wunder, dass im Ausstellungsbereich der ANGA Cable insbesondere leistungsstarke glasfaserbasierte Systeme auf Basis der neuen Spezifikation DOCSIS 3.0 (Over Cable Service Interface Specification) von Anbietern wie Motorola oder Aurora Networks großes Interesse fanden. Auch die Deutsche Telekom kündigte in Köln übrigens den Glasfaserausbau ihre Netze an. Christian P. Illek, Marketing-Direktor der Deutschen Telekom, betonte: „Glasfaser ist die Zukunft. Wir wollen hier bedarfsgerecht ausbauen.“ Start ist in diesem Jahr. 160.000 Haushalte sollen zunächst glasfasertechnisch angeschlossen werden.
Die ANGA Cable 2012 findet vom 22. bis 24. Mai 2012 erneut in Köln statt.
Eckhard Eckstein
(MB 06/11)

Anzeige