Wie geht die UFA-Gruppe strategisch vor, den Bereich neue Medien zu entwickeln. Gibt es eine eigene Entwicklungsabteilung, die zukunftsfähige Konzepte schwerpunktmäßig voranbringt oder sind auch die Produzenten der Gruppe in diesem Innovationsprozess aktiv eingebunden?
Bornemann: Wir schauen als Gesamtgruppe sehr genau darauf, welche neuen Technologien und Entwicklungen im Gange sind und wie unser Kerngeschäft tangiert wird. Wir analysieren, welche Möglichkeiten zunächst unser Kerngeschäft bietet aber immer auch, welches Potential jenseits davon existiert. Diese Gedanken- und Planspiele werden mit allen Produktionsfirmen integrativ angestellt. Es besteht in der gesamten Geschäftsführung Konsens, dass dieses Know-how in allen Produktionsfirmen vorhanden sein muss. Denn jede dieser Firmen muss sich an den Veränderungen des Marktes orientieren. Wir wollen explizit keine Satellitenabteilungen entstehen lassen. In allen ja eigenständig am Markt agierenden UFA Firmen gibt es inzwischen Produzenten, die verantwortlich sind für diesen Bereich und die bei den Development-Projekten der Gruppe stets integriert sind. Außerdem werden die Innovations-Projekte immer von einem Executive-Producer oder Geschäftsführer begleitet. Also: Gerade die Verzahnung von Kerngeschäft und neuen Technologien ist uns wichtig, um zu gewährleisten, dass hier ein Know-how-Transfer stattfindet.
Inwieweit zwingt der Kostendruck die Produzenten zu neuen Produktions- und vor allem auch Vertriebsmodellen?
Bornemann: Wir sind als UFA-Gruppe, wie übrigens viele unserer Mitbewerber auch, an einem Punkt angelangt, wo Wachstum im Kerngeschäft immer schwieriger zu realisieren ist. Im Vergleich zu Kollegen aus anderen Ländern, in denen noch Wachstumspotential im klassischen Fernsehsektor vorhanden ist, erleben wir in Deutschland einen weitgehend saturierten Fernsehmarkt mit einem spürbaren Margenverfall. Zwar können wir Produktionstechniken noch weiter optimieren, und dort vielleicht noch etwas effizienter oder ertragreicher agieren, aber im Endeffekt bietet der Fernsehmarkt eher kein Wachstum mehr. Deshalb müssen wir uns verstärkt um neue Geschäftsfelder und neue Finanzierungsmodelle kümmern. Das Ergebnis solcher Überlegungen sind zum Beispiel UFA Cinema, die UFA Brand Communication oder auch das UFA Lab.
Wie sieht die Strategie aus? Geht es darum, möglichst ein Master zu generieren, aus dem sich dann entweder 1:1 oder in abgewandelter Form auch andere Medien bedienen lassen oder wie nähern sich die Produzenten dem Bereich New Media?
Bornemann: Wir verstehen uns schon seit einigen Jahren nicht mehr nur als reine Film- und TV-Produzenten, sondern als Entertainment-Produzenten. Klar, 95 Prozent unseres Umsatzes kommen aus den Produktionen für die TV-Sender, die sich längst auch eigenen Entertainment-Konzepten zuwenden, die für eine Vielzahl unterschiedlicher Kanäle auswertungsfähig sind. Das führt zwangsläufig dazu, dass Ideen entwickelt werden, die möglichst über alle Plattformen ausgerollt werden können.
So etwas lässt sich prinzipiell nicht generalstabsmäßig planen. Es bedarf allerdings einer anderen Denkweise, die anders als bisher gleich mehrere Auswertungsszenarien konzipiert. Uns geht es darum, dass schon in der Entwicklung von klassischen TV-Programmen die so genannten 360 Grad-Konzepte mit entworfen werden. Das erfordert eine strategische
Neuorientierung der UFA vom klassischen TV-Produzenten hin zum 360 Grad-Entertainment-Produzenten, der die relevanten Zielgruppen für die jeweilige Programmidee über alle
adäquaten Vertriebskanäle erreicht.
Wir müssen dem veränderten Medienutzungsverhalten Rechnung tragen und den Nutzern folgen, und ihnen gerade nicht eine Plattform aufdrängen. Wir bieten ihnen den jeweiligen Inhalt, an dem sie interessiert sind und zwar dort, wo sie sich medial aufhalten.
Was steht hier im Vordergrund? Geht es darum die eigene
Programm-Marke in die neuen Medien zu transferieren und dort diejenigen anzusprechen, die über die klassischen TV-Kanäle nicht mehr erreicht werden oder auch darum, von Grund auf ganz neue Formate zu generieren?
Bornemann: Ganz klar – sowohl als auch. Es ist zur Programmmarken-Stärkung und Zuschauerbindung sicher wichtig, dass unsere etablierten, langlaufenden TV-Programm-Marken auch zeitgemäß in allen Medien präsent sind. Es wird von den Zuschauern inzwischen erwartet, dass sie ihre Lieblingsprogramme auch in anderen Kanälen abrufen können. Zur Kür gehört es darüber hinaus, neue innovative Pogramme genuin für bestimmte Plattformen zu entwickeln etwa für die sozialen Netzwerke im Web, wo sich ja besonders attraktive Zielgruppen aufhalten.
Was hat Priorität?
Bornemann: Priorität hat die Vernetzung der bestehenden TV-Marken mit den neuen Medien. Wir bringen aber sicher nicht weniger engagiert auch neue Marken und originäre Inhalte für die digitalen Bewegtbildmedien voran. Dass hierfür auch Finanzierungsmodelle gefunden werden müssen, stellt bekanntlich derzeit die größte Herausforderung dar. Wir sehen uns einer großen Nachfrage nach solchen Inhalten gegenüber, und zwar von neuen Playern, die hier dabei sein wollen und ihre Infrastruktur und Reichweite einbringen. Zu klären ist dabei am Ende immer, wie solche Inhalte finanziert werden können.
Das Fernsehen trägt sich über die Gebühren und die Werbung. Wie sehen funktionierende Geschäftsmodelle für die digitalen Kanäle aus?
Bornemann: Es kristallisieren sich Geschäftsmodelle heraus, die funktionieren könnten. Die bestehen in der Regel aus der Kombination von produzierten Inhalten und einem Reichweitenpaket mit der man versucht, Sponsoren zu gewinnen. Ich schnüre als Produzent ein auf das jeweilige Medium und Portal zugeschnittenes Paket aus Inhalten und lege dar, welche Zielgruppe damit erreicht wird. So wird ein Großteil der Webserien, die wir für die Plattformen planen und produzieren, finanziert. Hinzu kommen noch Partner, die Webserien lizenzieren. Fakt ist allerdings, dass durch diese Lizenz- und Sponsoring-Erträge noch keine großen Erlöse zu erzielen sind, aber wir schaffen es zumindest, kostendeckend zu produzieren.
International besteht bereits ein Deal mit der Fremantle-Media-Gruppe und dem Online-Portal YouTube, wonach die Erträge aus den dafür produzierten Inhalten aufgeteilt werden?
Bornemann: Wir haben eine weltweite Rahmenvereinbarung mit Google und der Tochter YouTube ausgehandelt, bei dem es darum geht, professionell hergestellte bekannte Inhalte sowie auch neue Programmmarken auf YouTube auszuwerten, dafür gemeinsam Werbepartner zu finden und dann die Erträge zu teilen. Das funktioniert inzwischen recht gut, anders ausgedrückt: das Potenzial dieses noch jungen Vertriebsweges ist erkennbar.
Wenn keine großen Development- und Produktionskosten für Formate entstehen, sondern sich aus dem Fundus bedient werden kann, dann können auch unmittelbar Erlöse erwirtschaftet werden. Wenn dagegen noch Aufbereitungs- und Digitalisierungs- oder gar Produktionskosten anfallen, dauert es länger bis wir auf diese Weise verdienen.
Welche crossmedialen Konzepte gibt es?
Bornemann: Wir haben bereits parallele Erzählstrange zu klassischen TV-Programmen entwickelt, die ausschließlich im Netz zu sehen sind. Oder wir haben neue Charaktere mit ihren Profilen online eingeführt, bevor sie dann in der Serie auftauchen. Es lassen sich mit Hilfe von Alternate-Reality-Games, TV- und Web-Welt zusammenführen. Oder aber man entwickelt ein komplett neues Format. Alle diese Szenarien haben wir ja schon bedient und dabei gesehen, dass viele dieser Aktionen bei der jeweiligen Zielgruppe gut angekommen sind. Wir waren beispielsweise mit Online-Soaps wie „Wir sind größer als groß“ für MySpace oder die „Pietshow“ für StudiVZ schon recht erfolgreich.
Wie sehen Sie die Entwicklung? Wird das klassische Fernsehen mit den digitalen Videowelten zu einem New-TV-Markt im Web verschmelzen oder stehen sich da zwei konkurrierende Modelle gegenüber?
Bornemann: Aus allen Erfahrungen bisher lässt sich feststellen, dass das klassische TV und die neuen digitalen Vertriebswege durchaus komplementär funktionieren. Hier findet eine
wechselseitige Mediennutzung statt, die sich gegenseitig befruchtet. Wir arbeiten inzwischen viel mit der Consumer-Industrie zusammen. Es gibt ja bereits die TV-Geräte mit
Internetanschluss, wodurch die Welten im Fernsehgerät verschmelzen. Das ist keine Zukunftsmusik sondern bereits Gegenwart.
Wir sind heute als Produzenten und Programmverantwortliche mit einem sich aufspaltenden und individuell differierenden Nutzerverhalten konfrontiert. Es gibt ein Spektrum der Mediennutzung vom typischen Fernsehkonsumenten, der sich gerne berieseln lässt, bis hin zu jenen Gruppen, die die Medien sehr eigenständig und auch standortungebunden nutzen. Von den zehn Talenten in unserem UFA-Lab haben acht überhaupt keinen Fernseher mehr. Die schauen über ihren Rechner fern oder auf dem Laptop. Das heißt, nur die Plattform ist eine andere, aber es wird durchaus noch ferngeschaut. Allerdings werden die Navigationsmöglichkeiten, die das Netz zusätzlich bietet, intensiv genutzt. Auch die junge Zielgruppe lehnt sich zurück und lässt sich unterhalten oder informieren. Nach allen Studien steht uns nicht das Ende klassischer TV-Kanäle oder linearer Programmstrukturen bevor. Durch die verschiedenen Nutzungsarten wird es vielmehr komplementäre wie aber auch ganz neue eigenständige Bewegtbildangebote geben.
Was bedeutet das für die Produzenten?
Bornemann: Kreatives Produzieren ist in der Multiformatwelt ebenso gefragt wie für das klassische Medium. Fernsehen wird im Internet nicht neu erfunden, sondern entwickelt sich weiter. Die großen TV-Events und Shows wie auch andere
Leuchtturm-Projekte bleiben die Stärke des Fernsehens.
Allerdings lässt sich bereits auch im Internet der Trend zur Eventkultur feststellen.
Wie verändert dies das Profil des klassischen Produzenten?
Bornemann: Die Anforderungen werden komplexer und wachsen stetig. Es bedarf spezifischer Kenntnisse, um die neuen Plattformen bespielen zu können. Wer flexibel ist und sich das zutraut, generiert diese Strukturen selbst, oder aber er sucht sich Partner, die diese Kompetenzen mitbringen.
Bei der Vielfalt der produktionstechnischen Formate und Codecs in der digitalen Welt, auf welche Technologien setzen Sie?
Bornemann: Wir verfügen über ein kompetentes Technologieteam, das sich intensiv mit den Veränderungen der Produktionstechnik auseinandersetzt. Die Anforderungen, denen ein Produktionshaus wie die UFA-Gruppe gegenüber steht, reichen ja etwa von einem digitalen Archiv samt Content-Management-System bis hin zu einer komplett bandlosen Produktionsstrecke.
Wie sehr hat die UFA die 3D-Dynamik erfasst? Welche Rolle spielt das in Ihren strategischen Planungen?
Bornmann: Das ist für uns ein interessanter Markt. Die technologische Entwicklung ist so weit voran geschnitten, dass die ersten 3D-Fernseher schon marktreif sind. 3D im TV ist wieder so eine technische Errungenschaft, die nun der richtigen Inhalte bedarf. Wir experimentieren hier auf allen Ebenen. In den Produktionsfirmen, im UFA Lab und für alle Medien, ob nun 3D-Kino, 3DTV oder 3D im Internet. Wichtig könnten auch 3D-Erlebnisräume bei Live-Events werden. Gemeinsam mit unseren Inhouse-Experten schauen wir sehr genau auf neue technologische Neuheiten und bieten dafür auch neue Inhaltkonzepte an.
Rechnen Sie mit 3D auf absehbare Zeit fürs Fernsehen?
Auf der Cebit und der NAB in Las Vegas wurde bereits laut getrommelt, als stehe der Siegeszug von Stereo 3D auf die häuslichen Bildschirme unmittelbar bevor?
Bornemann: Das hängt natürlich davon ab, wie man dem
Verbraucher den Mehrwert des 3D-Fernsehens vermitteln kann. Die durchschnittliche Nutzungszeit eines TV-Gerätes in einem deutschen Haushalt beträgt rund sieben Jahre. Auf der anderen Seite ist derzeit zu beobachten, wie schnell sich die Plasma-Bildschirme durchgesetzt haben. Die Frage ist, sind die Konsumenten bereit, hier erneut zu investieren und mehr Geld zu zahlen und sich zu Hause eine Polarisationsbrille auf die Nase zu setzen. Und letztlich hängt es vor allem an den Produzenten, welche Inhalte und Formate sich durchsetzen, damit diese Technik attraktiv wird.
Wird es angesichts solcher Umwälzungen in der Medienproduktion eine Marktbereinigung geben, bei der die kleinen Produzenten, welche die Entwicklungskosten nicht stemmen können, gezwungen sein werden, bei den großen Firmen unterzukommen?
Bornemann: Das denke ich nicht. Ich glaube nicht, dass
kleinere Firmen darauf angewiesen sein werden, unter das Dach größerer Produktionshäuser zu schlüpfen und dies das einzige Modell wäre, um zu überleben, trotz aller Umwälzung und gebotenen Neuorientierung. Es geht letztlich immer um kreative Inhalte. Und dieser Markt ist in einem stetigen Wachstum begriffen. Bernd Jetschin (MB 05/10)