Elfmal nah dran

Der WDR ist in Nordrhein-Westfalen zuhause. Ganz nah dran und immer mittendrin im Geschehen – ein Stück Heimat im Radio, im Fernsehen und im Internet. Um diesen Auftrag noch besser erfüllen zu können, rüstet der WDR bis 2010 alle zehn Regionalstudios und das Funkhaus in Düsseldorf mit neuester Technik aus und ermöglicht damit die bi- und trimediale Informationsversorgung für seine Zuhörer, Zuschauer und Internet-Surfer.

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Regionalisierung ist nichts Neues im WDR. Schon Mitte der 80er Jahre wurde mit den Fernsehstudios Bielefeld und Münster der Grundstein für die Erweiterung der regionalen Berichterstattung gelegt – und kontinuierlich wurde dieser Weg weitergegangen. Ein weiterer konsequenter Schritt zur Verbesserung der Kommunikation zwischen den Studiostandorten und den Funkhäusern in Düsseldorf und Köln war die Einrichtung eines interregionalen Netzwerks – dem WDR RegioNet. Mit diesem Netzwerk steht seit Ende 2004 ein breitbandiges Übertragungsnetz zur Verbindung der Standorte in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung. Es handelt sich um ein Glasfasernetz, das der Programmkontribution und -distribution für Fernsehen und Hörfunk sowie der Sprachkommunikation und Datenübertragung zwischen den WDR-Standorten dient.

Das Regionalstudio in Siegen ging am 6. April mit der neuen Technik auf Sendung, im September folgt Duisburg, danach geht Bonn „On-Air“ und bis 2010 folgen Aachen, Bielefeld, Dortmund, Essen, Köln, Münster, Wuppertal und das Funkhaus Düsseldorf. Jedes Studio geht nach der Erneuerung mit umfassenden neuen technischen Einrichtungen an den Start, um dem redaktionellen Gedanken der bi- und trimedialen Berichterstattung die notwendige technische Plattform zu bieten.
Die besondere Herausforderung bei diesem Projekt ist es – bei laufendem Sendebetrieb und in relativ kurzer Zeit – die zehn Regionalstudios und das Funkhaus Düsseldorf zu erneuern und ein Bedien- und Funktionskonzept an die unterschiedlichsten Standortgegebenheiten anzupassen. Dadurch wird beispielhaft ein optimierter Workflow für alle Mitarbeiter der Regionalstudios realisiert. Nach umfangreichen Schulungen an den vielen softwarebasierten Produkten und Hands-on-Trainings an den Mensch-Maschine-Interfaces wird damit die Prämisse „Less Work – more Flow“ erfüllt.

Bei der Auswahl der Komponenten der neuen Produktions- und Sendetechnik wurde auch berücksichtigt, dass in weiteren Phasen (die nicht Gegenstand der jetzigen Erneuerung sind), sowohl eine überregionale Vernetzung der Studios als auch die Einbindung von Automationssystemen gewährleistet ist.
Eine über 180 Seiten starke Leistungsbeschreibung diente als Grundlage für die Ausschreibung. Den Auftrag erhielt das im Studio- und Ü-Wagen-Bau seit mehr als 30 Jahren tätige Systemhaus BFE aus Mainz. Neben Planung, Koordination und Montage liefert die BFE auch die nach den Wünschen des WDR gefertigten Studiomöbel. Die Vorgaben des WDR brachten zwei weitere große Partner mit ins Boot: Avid für den TV-Bereich und VCS für den Hörfunk und das Datenmanagement. Auch wenn für die beteiligten Firmen die Arbeiten an den einzelnen Studios ansich nur „Tagesgeschäft“ sind, so ist der Auftrag im Ganzen für jeden einzelnen Zulieferer doch ein Riesenprojekt, das sorgfältiger Planung und kontinuierlicher Koordination sowohl in der Vorbereitung als auch in der Durchführung bis zum Jahr 2010 bedarf.

Alle zehn Regionalstudios und das Funkhaus Düsseldorf sind damit weitestgehend mit der gleichen Audio- und Videotechnik ausgestattet. Maihöfer: „Der Support ist dann einfacher und die Kollegen und Kolleginnen, die schon mal in anderen Studios aushelfen müssen, haben es dann auch leichter.“ In allen Studios wird es dann zwei bis vier Avid-Schnittplätze und – für die Radiomitarbeiter – die Systeme „Startrek“ und „Sequoia“ der Firmen VCS und Magics geben. „Viel wichtiger“, sagt Kaiser, „ist der Audio- und Videospeicher, den wir in jedem Studio installieren. Er garantiert erst das allseits geforderte bi-/trimediale Arbeiten.“
Jedes Studio erhält einen eigenen Server, auf den die TV-Redakteure ebenso zugreifen können wie die Radio-Redakteure. Dort werden Bild und Ton nach der Aufnahme eingelesen – „hoffentlich bald schneller als in Echtzeit“, wie Kaiser hinzufügt. Dieser Server garantiert dann auch das band- beziehungsweise kassettenlose Senden der Beiträge. Maihöfer: „Fertig produzierte Magazinbeiträge, Reportagen und die O-Töne für die Radionachrichten liegen dann online bereit und können auf Knopfdruck abgespielt werden.“

Dazu investiert der WDR bis Ende 2010 bis zu 52 Millionen Euro. Diese Investition in die bi- und trimediale Digitaltechnik ist aber auch eine Investition in die Zukunft der Arbeitsplätze von Redakteuren und Technikern. Wie diese Arbeitsplätze in 10 bis 20 Jahren aussehen werden – das weiß keiner so genau, auch nicht das Trio, das diese Investitionen steuert: Reinhard Maihöfer (Projektleiter), Wolfgang Kaiser (Leiter der Abteilung Investitions- und Projektmanagement) und Dirk Neumann (Leiter der Abteilung Radio&TV Regionalstudios), denen aber schon heute klar ist, das mit dem Einzug der neuen Technik den Fernseh- und Radiomachern nach und nach Werkzeuge in die Hand gegeben werden, um zeitnah Radio und Fernsehen und bald auch das Internet bedienen zu können.
Fragt man Maihöfer, wie sich die in der Geschichte der WDR-Studiotechnik bisher größte Investitionsumme zusammensetzt, bekommt man ein sehr nüchternes Zahlenwerk präsentiert: „Pro Standort investieren wir rund vier Millionen Euro, die notwendigen Umbaumaßnahmen eingeschlossen.“ Die Entscheidungen orientieren sich daran, die höchstmögliche Flexibilität an den Arbeitsplätzen von Redaktion und Technik zu sichern – nicht zuletzt durch die Einführung des neuen Redaktionssystems „OpenMedia“ und außerdem soll das „endlose“ Kopieren von Beiträgen überflüssig werden. „Wichtig ist es“, sagt Kaiser, „dass wir dem Fernsehen hier den Einstieg in die digitale Produktionswelt anbieten können, die der Hörfunk schon seit mindestens zehn Jahren kennt. Und diese Entscheidung ist ein optimaler Scheck auf die Zukunft.“

Konsequent vernetzt
Auch in der Raumplanung wird die Prämisse des vernetzten Arbeitens konsequent umgesetzt: Man arbeitet in Großraumbüros, in denen die Arbeitsplätze der Redakteure, die künftig die Fernseh-, Radio- und Internetprogramme gestalten sollen, so angeordnet sind, dass auf kurzen Wegen gemeinsam koordiniert und gestaltet werden kann – die Schreibtische der Chefs vom Dienst und der Senderedakteure von Hörfunk und Fernsehen stehen nur wenige Meter voneinander entfernt. Damit sind die bislang getrennten Welten von Hörfunk, Fernsehen und Internet zumindest organisatorisch eng miteinander verbunden.
Video- und Tonmaterial, das Reporter und Kameraleute im Studio anliefern, wird in die Avid ISIS und Avid Interplay Plattform eingespielt.
Es kann von mehreren Mitarbeitern gleichzeitig für Radio, Fernsehen und Internet bearbeitet werden. Damit können Beiträge noch schneller als bisher in allen drei Medien gesendet werden. Im Hörfunk ist diese Arbeitsweise bereits heute Realität, das Fernsehen ist von dieser vernetzten digitalen Arbeitsweise zurzeit noch ein Stück entfernt, denn qualitativ gute Fernsehbilder erfordern große Datenmengen. Hinzu kommen die komplexeren und arbeitsteiligeren Abläufe bei einer Fernseh-Livesendung, die mit EDV-basierten Lösungen schwieriger in den Griff zu bekommen sind als der Ablauf einer Radiosendung. Um das auch für das Fernsehen zeitnah umzusetzen, werden alle Mitarbeiter in umfangreichen Schulungen mit den Möglichkeiten der vernetzten digitalen Produktionstechnik an jedem Standort vertraut gemacht.
Das alles sind keine leichten Aufgaben, dennoch wagt der WDR mit der Inbetriebnahme jedes umgerüsteten Regionalstudios diesen „Quantensprung“. Und erste Erfahrungen aus Siegen zeigen, dass durch die enge Zusammenarbeit im Großraumbüro Informationen schneller ausgetauscht werden, Doppelarbeit wegfällt und aktuelle Meldungen und Beiträge – egal ob für Internet, Hörfunk oder Fernsehen schneller On-Air sind.
Abgerundet wird das Konzept durch den Einsatz von kleinen und wendigen Radio- und TV-SNGs (ganz neu: EB-Team-Fahrzeuge mit selbstausrichtender Sat-Antenne für Materialüberspielung und kleine Live-Aufsager), die von den verschiedenen Standorten in NRW schnell und aktuell von regionalen Ereignissen berichten können und damit die Bürgernähe des WDR eindrucksvoll bestätigen.

WDR Regionalstudios

MEDIEN BULLETIN fragte Reinhold W. Vogt, Hauptabteilungsleiter Produktion NRW – Radio & TV und Vorsitzender des Lenkungsausschusses Erneuerung NRW zu den Aufgaben und der neuen Technik der WDR Regionalstudios.

Eine Frage an den Visionär: Was sollen die elf Regionalstudios für die Bürger in NRW leisten?
Der Erfolg des WDR Fernsehens ist zu großen Teilen den Landesprogrammen, also den Lokalzeiten, Aktuelle Stunde und Co. zu verdanken. Das wiederum ist darauf zurückzuführen, dass wir durch die zehn Studios im Lande und das Funkhaus in Düsseldorf nah dran an den Menschen sind, Fernsehen von nebenan machen. Auch im Radio ist die Zulieferung aus der Region wichtig: 52.000 Sendeminuten Radio-Regionalnachrichten werden jährlich für WDR 2 in den Regionalstudios produziert und über 10.000 weitere Beiträge für andere WDR-Radio-Programme pro Jahr. Kurzum: tagtäglich Programme aus NRW – für NRW.

Eine Frage an den Realisator: Wie wird in Radio und Fernsehen nun das Internet integriert?
Hauptsächlich verbreiten wir im Radio und Fernsehen unseren Content. Allerdings wächst das Interesse unserer Zuschauer und Zuhörer rapide an der zeitsouveränen Nutzung unserer professionell hergestellten Inhalte im Internet. Das heißt, wir bereiten uns insbesondere darauf vor, bereits gesendete Radio- und Fernsehbeiträge für ein RegioPortal als NRW-on-Demand-Angebote aufzubereiten, damit Interessierte sich selbst in unserem aktuellen Beitragsspeicher bedienen können.

In den Regionalstudios wird teilweise 20 Jahre alte Technik ersetzt. Wie führt der WDR seine Mitarbeiter an die neue Technik heran?
Unsere Technik-Crew wurde in den vergangenen Monaten crossmedial geschult, das heißt, bisher reine Fernsehtechniker lernten Radio-Spezifika und umgekehrt machten sich Radioleute mit dem Fernsehen vertraut. Bei diesem Umswitch auf die Bimedialität kam die langjährige Digitalisierungserfahrung der Radio-Kollegen auch den Fernseh-Technikern zugute. Zusätzlich gibt es an jedem Studiostandort, wenn die neue vernetzte Digital-Technik eingeführt wird wie im April in Siegen und jetzt aktuell in Duisburg, intensive Schulungen vor Ort. Darüber hinaus besuchen die Mitarbeiter/innen das erste umgerüstete Studio in Siegen, Siegener Kollegen helfen und erklären zurzeit in Duisburg mit ihrer nun schon mehrmonatigen Erfahrung. Außerdem haben wir eine eigene vierköpfige Gruppe von Produktions-(IT)-Administratoren, die auf der einen Seite den Betrieb kennen, auf der anderen Seite aber tiefen Einblick in die Vernetzung haben. Last but not least gibt es für jeden Standort mein Versprechen: „Jeder darf ab Sendestart 100 Tage Fehler machen, Bedienfehler, menschliche Fehler, weil die Workflows, die andere Bedienphilosophie noch nicht verinnerlicht sind. Denn diese Fehler werden unweigerlich passieren, aber deswegen sollte niemand Angst vor der neuen Technik haben, sondern aus den Fehlern lernen. Nur systemische Fehler sollten sofort gemeldet, analysiert und behoben werden.“

Die Regien sind so aufgebaut, dass einfache Sendungen von einem Techniker alleine gefahren werden können. Ist neue Technik mit weniger technischen Mitarbeitern gleichzusetzen?
Mit einem Techniker allein ist es schon etwas arg riskant. Einer für Bild, einer für Ton ist da schon realistischer. Nur einen „MAZer“ im engeren Sinne brauchen wir nicht wie bisher, weil die Sendung vom Server kommt. Aber genau für den Betrieb des Servers brauchen wir jetzt jemanden, das heißt, das Berufsbild wandelt sich für diesen Techniker, wird zugleich zukunftssicherer. Hilfskräfte allerdings zum Beispiel für den Schriftgenerator werden künftig so nicht mehr während der Sendung gebraucht, wenn aus dem Redaktionssystem OpenMedia die „Bauchbinden“ direkt im Playout passgenau übernommen werden. Die Schnittstellen dazu werden gerade entwickelt.

Das Regionalstudio in Siegen ist nun seit April auf Sendung. Wie bewährt sich das Konzept in der Praxis?
Das Konzept hat sich in der Praxis sehr bewährt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen souverän mit der neuen Technik um. Das, was noch nicht optimal läuft, wird dort registriert, verbessert und dann so in den nachfolgenden neun anderen Studios implementiert. Die Siegener sind auch die „Versuchskaninchen“ in Sachen Anpassung der neuen Workflows. Was dort entwickelt wird, ist Vorgabe für die anderen Regionalstudios. Im Funkhaus Düsseldorf gelten aufgrund der Größe andere Bedingungen.

Über das RegioNet stehen alle Regionalstudios miteinander in Verbindung. Wie erfolgt der Austausch von Informationen von Köln nach Dortmund oder von Bielefeld nach Aachen?
Das RegioNet ist in der Tat der Backbone für unsere Arbeit, für den Beitragsaustausch. Zurzeit wird im Fernsehen noch herkömmlich „überspielt“. Im Radio ist der File-Transfer gängige Praxis. Noch in diesem Jahr wollen wir einen Versuch zum Video-File-Transfer zwischen Siegen und Düsseldorf starten.

Ab 1. Januar 2008 werden alle Sendungen der Regionalstudios in 16:9 ausgestrahlt. Wann erfolgt der Switch zu High-Definition?
Wenn wir den Umstieg auf 16:9 ohne größere Probleme geschafft haben, werde ich schon ganz froh sein. High-Definition ist ganz bestimmt ein Thema der mittelfristigen Zukunft, in der Produktion gewiss prinzipiell finanzierbar. Aber wir strahlen elf Regionalmagazine parallel aus, da werden die Verbreitungskosten viel stärker zu Buche schlagen. Lassen Sie uns über dieses Thema wieder reden, wenn Encoder und Decoder auf dem Markt sind, die HD mit geringerer Datenrate zu transportieren in der Lage sind.

Reinhard Penzel (MB 09/07)