Übung macht den Meister

Kaum angekündigt, schon war das Forum ausgebucht: Mit 180 Teilnehmern geriet der Auftakt der Veranstaltungsreihe „HD at Work“ unter dem Titel „HD – Die ganze Bandbreite“ im fx.Center der Medienstadt Babelsberg in Potsdam am 28. April zu einem großen Erfolg.

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Aus der Praxis für die Praxis. Das war die zündende Grundidee von Jens Theo Müller, Geschäftsführer der TeleFactory, die zu der Veranstaltung „HD at Work“ führte. Veranstalter Andreas Vogel, Chef der gemeinnützigen Bildungsorganisation Pro Babelsberg, hat gemeinsam mit ihm innerhalb von zwei Monaten das Auftaktforum so organisiert, so dass ein konstruktiver Erfahrungsaustausch rund um die konkreten Finessen in der HD-Produktion gelang. Etliche Sponsoren und Partner konnten gewonnen werden wie zum Beispiel IHK Potsdam, Medienboard Berlin-Brandenburg, MEDIEN BULLETIN, ProSiebenSat.1 Produktion, Studio Berlin und last but not least Sony.

Im Mittelpunkt stand ein Screening von zehn ganz verschiedenen HD-Projekten, die im Anschluss der Vorführung im Forum fachlich dezidiert diskutiert wurden. Besonderes Highlight dabei war, dass die vorführenden Produzenten, Regisseure und Kameramänner zusammen mit ihren Kollegen im Forum Ausschnitte aus ihren HD-Projekten erstmals in voller HD-Qualität erleben konnten. Die wurden – nach entsprechender Präparation in der Postproduktion – mit dem 10.000 Ansi Lumen starken 4K-Projektor von Sony auf die Kinoleinwand im fx.Center gebracht. Eines der Kinderschuhkompatibilitätsprobleme, die es noch rund um die HD-Produktionspraxis gibt, besteht darin, wie die Diskussion unter vielen anderen deutlich machte, dass die gedrehten hoch aufgelösten Bewegtbilder für die Fernsehausstrahlung heute noch in der Postproduktion wieder in das PAL-Format konvertiert werden müssen. Dann ist bekanntlich von der besonderen HD-Bildqualität nur noch wenig zu sehen, was obendrein das Sammeln von optischen Erfahrungen am HD-Endprodukt erschwert.

Ziel der Veranstaltung, so sagte Jens Theo Müller zu Beginn der Veranstaltung, sei es, ein HD-„Schaufenster“ zu öffnen und gleichzeitig dem hartnäckigen Vorurteil von der „speziellen deutschen Zurückhaltung“ beim Zukunftsformat High-Definition entgegenzutreten. Im Gegenteil: Es werde schon sehr viel in HD produziert, natürlich wolle man auch in Deutschland „neue Wege gehen“. Müller kennt sich aus. Rund 75 Prozent der Dienstleistungen seiner TeleFactory für Kino- und TV-Produktionen sind bereits auf den Einsatz von HD-Equipment beim Dreh und in der Postproduktion bezogen. Zwar werde HD in Deutschland für immer mehr Filmemacher Alltag und halte auch zunehmend Einzug in die TV-Produktion. „Bislang aber“, so Andreas Vogel von Pro Babelsberg, „gab es kaum Gelegenheit sich über die neue Technik auszutauschen: Jetzt bieten wir die passende Plattform“.

Die Bandbreite der im Screening demonstrierten Projekte reichte von bereits gesendeten Erfolgsstreifen wie „Afrika, Mon Amour“ (ZDF) und künftigen TV-Sendungen wie „Moebius Redux“ (im Herbst bei Arte) über in Postproduktion befindlichen Filmen wie „Berlin am Meer“, „Delay“ und „Sovia“ bis zu Splattermovies wie „Guitar Man“ und Werbespots wie den Stopptrickfilm „Teddy“. Schon in 2001 hatte sich beispielsweise der Berliner Produzent Daniel Petry (Context TV) für den HD-Dreh bei dem spektakulären Dokumentarfilm „Return To The Bismarck – Diving Into History“ (ZDF) entschieden. Damals, so erinnert sich Petry, war es bereits im ersten Schritt schwierig, überhaupt einsatzbereite HD-Kameras aufzutreiben. Doch man wollte für das Projekt unbedingt die bestmöglichste Bildqualität generieren. Immerhin war die Chance einmalig. Dokumentiert wurde der erste Tauchvorgang im Atlantik per U-Boot in 5.000 Meter Tiefe, um das Wrack der im Zweiten Weltkrieg versenkten Bismarck, die bei ihrer Indienststellung das größte und kampfstärkste Schlachtschiff der Welt war, erstmals zu inspizieren.

Gedreht wurde durch die Bullaugen des U-Boots. Dabei musste sich das Team einiges einfallen lassen, allein um die Stromversorgung der Kameras zu garantieren. Man hatte mit Kompatibilitätsproblemen in der Bildauflösung und der Konvertierung zu PAL zu kämpfen. Ebenso galt es zu lernen, wie man eine gleich bleibende Bildqualität auch dann erreicht, wenn man historisches Archivmaterial einbindet, zumal, wenn es sich nicht um den Originalfilm, sondern einer Kopie von der Kopie handelt. Die Vorführung im fx.Center über den 4K-Projektor zeigte die Qualitätsmängel von historischem Material gestochen scharf, so dass Petry zusammen mit den Kollegen aus dem Forum auf Ursachenforschung gehen konnte, wie sie behoben werden können. Doch die Erfahrungen haben Petry klug gemacht. Heute würde er alles auf 60i drehen, eine Kopie in 50i ziehen, um davon wiederum das PAL-Format zu erzeugen. Das aber, so Petry sei sein „persönliches Rezept“. Jede Produktionsfirma müsse ihr eigenes Rezept entwickeln. Also: Nur Übung macht den Meister – wie es immer ist, wenn man sich neuer Produktionsmittel bedient, die zu einer höheren Qualität beim Endprodukt führen.

„Nervige“ Probleme
Doppelt motiviert war Regisseur Hasko Baumann der Berliner Produktionsfirma Avanti Media, um den Dokumentationsfilm „Moebius Redux – Ein Leben in Bildern“ (Co-Produktion mit ZDF und AVRO in Zusammenarbeit mit ARTE, CHUM Television, Canal D, TV Ontario und YLE) in HD zu drehen. Um den filigran gezeichneten, detailreichen Comics, den teilweise metaphysischen Fantasien des berühmten französischen Künstlers Jean Giraud, die im Mittelpunkt des Films stehen, gerecht werden zu können, wurde eine hoch aufgelöste Bildqualität angestrebt. Und da man die Giraud-Dokumentation von Anfang an auch nach Japan verkaufen wollte, war HD sowieso ein „must“. Baumann schilderte seine HD-Pionierarbeit gelinde gesagt ernüchternd. Er zählte eine Reihe von „nervigen“ Problemen auf: von den Schwierigkeiten mit der Blue-Box bei HD bis zu der HD-Aufbereitung in der Postproduktion. Nein, das habe „keinen Spaß gemacht!“. Am Ende hatte natürlich dann doch alles geklappt und nachdem sich Baumann, wie er sagte, bei zwei klassischen Projekten ohne HD wieder aufgetankt hat, fühle er sich jetzt wieder für ein neues HD-Projekt gewappnet.
Kameramann Frank Küpper war der einzige, der nicht über die Pioniererfahrungen mit HD-Equipment aus der Video-Linie, sondern von seinen ersten HD-Dreherfahrungen mit der ARRI D 20 berichtete, die ja aus der elektronischen Fortentwicklung der klassischen Filmkamera stammt. Damit hatte Küpper in Kenia den ZDF-Dreiteiler „Afrika, Mon Amour“ gedreht. Wofür sich Produzent Oliver Berben (MOOVIE the art of entertainment), Regisseur Carlo Rola und Küpper gemeinsam entschieden hatten, um eine visuelle Anmutung wie bei einem 35mm-Film zu realisieren. Kleiner Stolperstein: Aufgrund der extremen Feuchtigkeit am Drehort war zunächst Kondenswasser auf den Chip kommen. Dafür hatten die Techniker bei ARRI in München aber schnell eine einfache effektiven Lösung parat: Küpper: „Anstelle eines Objektivs wurde eine mit Granulat gefüllte Plastikflasche an die Kamera gesetzt. Während der Nacht konnte so die Feuchtigkeit austreten, so dass wir tags darauf weiter drehen konnten.“ Laut Küpper ist die Kamera aber „wesentlich robuster als viele glauben“ und werde laufend von Arri verbessert.
Beim Anblick der fast dreidimensional wirkenden afrikanischen Landschaften auf der 4K-Leinwand im fx.Center gab sich Küppers euphorisch begeistert, auch wenn er über Umgewöhnungsschwierigkeiten berichtete. So dauere es schon „ein paar Tage“ bis man „den HD-Workflow im Griff habe“. Zwar sei es hilfreich, dass man im Gegensatz zur herkömmlichen Filmkamera mit dem Kontrollmonitor praktisch das Kopierwerk vor Ort habe, doch müsse man sich erst an das „ganz andere Setmanagement“ gewöhnen, das wieder aufwändiger würde und bei dem erst einmal das Kabel störe. Man habe, so Küpper, am Anfang einen „Mehraufwand“, danach erlebe man es als „eine neue Art des Filmschaffens“. Wesentlich für Küppers war es dabei, dass er sich beim Zubehör und den Objektiven auf bekanntem Terrain bewegen konnte. HD habe „eindeutig Vorteile im Look und der Farbtemperatur“. Letztlich, so resümierte Küpper, sei die Aufnahmetechnik „nur ein Werkzeug, um Geschichten zu erzählen“. Es komme auch bei HD „auf das dramaturgische Verständnis, ästhetisches Empfinden und Erfahrung im Umgang mit Licht an“. Und er sähe langfristig überhaupt keine Probleme, mit HD zu arbeiten.

Weiter wurden beim Screening unter anderem die Möglichkeiten mit der semiprofessionellen HDV gezeigt und die Optik, in der HD in Schwarz/Weiß erscheint. Im Abendprogramm der Auftaktveranstaltung von „HD at Work“ waren die Fachbesucher von der Studio Hamburg Documenteries-Produktion „Die Wiese – Entdeckungsreise durch eine Wunderwelt“ begeistert. Wer einmal Naturfilme im vollen HD-Glanz gesehen hat, wird sie wohl nie wieder in PAL genießen können.
Im zwischengeschalteten „Workshop“ am späten Nachmittag standen die verschiedenen Aufnahmetechniken, Kameras, Formate und das Mastering im Mittelpunkt. So zeigte Prof. Dietrich Sauter vom Institut für Rundfunktechnik (IRT) Beispiele für digitale TV-Produktionen mit verschiedenen Kameras – von HDV bis 50p, von Canon A1 bis Arri D20. Im Gegensatz zu diesem „Digitaltechnik-KDW“, ging Prof. Hans Hattop von der HFF, die schon seit einigen Jahren in HD produziert, auch auf die Bedürfnisse von Low-budget- oder No-Budget-Produktionen ein.

Die Veranstaltung bewies, was Jens Theo Müller von der TeleFactory angekündigt hatte: „Wer anspruchsvollen, aufwändigen Content produziert, nutzt die Möglichkeit, mit HD ein hochwertigeres Ergebnis zu erzielen.“ Der Veranstalter Andreas Vogel von Pro Babelsberg will mit „HD at Work“ den Film- und Fernsehschaffenden am gesamten Standort Berlin-Brandenburg konstruktive Impulse für das Zukunftsformat geben. Nächster Termin für die Veranstaltungsreihe „HD at Work“ ist der 20. Juni, wieder im fx.Center Babelsberg, der mit einer „Summer Night“ verbunden sein wird.
Erika Butzek (MB 05/07)

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