Effizienter und wirtschaftlicher

Die immer wieder mal tot gesagte DIGITAL RADIO-Einführung gewinnt durch ein neues bundesweites DAB+ Programmangebot, das im Spätsommer 2011 an den Start gehen soll, wieder an Schwung. Mit von der Partie ist das bundesweit agierende Deutschlandradio mit drei Programmen. MEDIEN BULLETIN sprach mit dessen Hauptabteilungsleiter Rundfunk- und Informationstechnik, Dr.-Ing. Chris Weck, über die Vorteile der digitalen Hörfunk-Verbreitung.

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Effizienter und wirtschaftlicher

Die DIGITAL RADIO-Einführung hat hierzulande schon einen langen Weg hinter sich. Zuletzt war eher Stillstand angesagt. Warum brauchen wir digitalen Hörfunk überhaupt?

Der Digitalisierungsprozess hat in allen anderen Medienbereichen bereits stattgefunden. Nur der terrestrische Hörfunk tut sich da etwas schwerer, obwohl sehr viele Gründe für einen Wechsel vom analogen zum digitalen Hörfunk sprechen. Wenn wir bedenken, dass der Mittelwellenrundfunk (AM) seit 1923 und der UKW-Rundfunk (FM) seit 1948 existieren, dann wird schnell klar, dass diese Übertragungstechnologien nicht mehr zeitgemäß sind. Wir brauchen im heutigen digitalen Zeitalter auch für den Hörfunk eine adäquate Lösung. Die analoge Technik hat massive Einschränkungen, zum Beispiel im Hinblick auf die Quantität des Programmangebots durch die begrenzten UKW-Frequenzressourcen.

Bei der letzten Ausschreibung von UKW-Frequenzen in Berlin haben sich für fünf Frequenzen fast 30 Rundfunkanbieter beworben. Hier herrscht also ein großer Engpass. Für den Hörer ist eine größere Programmvielfalt ohne Frage wünschenswert. Mit der digitalen Hörfunktechnik könnten wir im VHF-Band III fast zehnmal mehr Programme als in UKW übertragen. Der zweite Punkt ist die Qualität. Wir bekommen sehr viele Hörerzuschriften in denen bemängelt wird, dass Deutschlandradio nicht überall empfangen werden kann.

Mit der digitalen Hörfunktechnik lässt sich nicht nur die Audioqualität steigern sondern vor allem auch die flächenmäßige Abdeckung verbessern.
Für Deutschlandradio Kultur beträgt die derzeitige Flächenabdeckung nur 51 Prozent und für das Programm Deutschlandfunk ca. 70 Prozent. Dazu haben wir 304 Sender im Einsatz. Die digitale Technik ist hier viel effizienter und somit auch viel wirtschaftlicher. Wir rechnen hier mindestens mit einem Faktor von vier, die sich langfristig an Verbreitungskosten für ein Programm einsparen lassen. Aber auch aus ökologischer Sicht ergeben sich Vorteile. Eine DIGITAL RADIO-Ausstrahlung benötigt fünfmal weniger Energie. Da kann man nicht mehr ganz nachvollziehen, warum politische Parteien, die ökologische Aspekte immer wieder betonen, sich nicht für die Digitalisierung des Hörfunks einsetzen. Hier ist ein Umdenken erforderlich.

Welche Rolle spielt bei der DIGITAL RADIO-Einführung der geplante, neue bundesweite DAB+ Multiplex?

Mit dem neuen bundesweiten Programmangebot werden mehr als zehn Programme in ganz Deutschland empfangbar sein. Dieser bundesweite DAB+-Multiplex gibt sozusagen den Startschuss für weitere landesbezogene, regionale und lokale Programmangebote und auch für viele interessante Entwicklungen im digitalen Hörfunk. Neben den drei Deutschlandradio-Programmen Deutschlandfunk, Deutschlandradio Kultur und DRadio Wissen werden auch noch Programmangebote von Entspannungsradio, ERF Medien, MEDIA BROADCAST, Die Neue Welle Rundfunk-Verwaltungsgesellschaft, Radio 97,1 MHz Hamburg und REGIOCAST DIGITAL. Kapazitäten für weitere nationale Programmanbieter sind in der zweiten Januarhälfte 2011 von den Landesmedienanstalten ausgeschrieben worden. Auch die ARD-Anstalten und Landesmedienanstalten planen in den einzelnen Bundesländern weitere landesweite und regionale Angebote.

Wird es im bundesweiten DAB+ Multiplex multimediale Zusatzdienste geben?

Auf jeden Fall. Einen Schwerpunkt werden wir auf den Elektronischen Programmführer (EPG) legen. Darüber lässt sich dann eine bestimmte Sendungen im Empfangsgerät auch für eine Aufnahme und Speicherung programmieren. Weiter werden begleitend zur Sendung auch Text und Bildinformationen sowie auch strukturierte Daten wie Nachrichten, Verkehrs- oder Wetterinformationen übertragen. Es ergeben sich viele Möglichkeiten, die wir bereits aus dem Internet kennen, aber natürlich ohne einen Rückkanal nur mit lokaler Interaktivität. Wir sehen in Zukunft aber auch hybride Anwendungen, eine Kombination von Diensten für Geräte, die sowohl DAB-Empfang als auch Zugang auf das Internet bieten. Es gibt sogar heute schon DAB-Empfangsgeräte, welche in der Lage sind, solche
multimedialen Daten darzustellen. Auch Informationen für Navigationssysteme werden in Zukunft über DIGITAL RADIO übertragen werden.

Wie sieht die Ausbauplanung aus?

Im Spätsommer soll ein Angebot mit mehr als zehn Programmen starten. Dafür werden zunächst 27 Sender aufgebaut. Wir können damit schon ab Start über diesen Verbreitungsweg rund 39 Millionen Hörer portabel Indoor und knapp 50 Millionen Hörer mobil erreichen, wobei die Flächenabdeckung zu Beginn erst bei circa 39 Prozent liegt. Es wird also zunächst besonders ein Empfang in Ballungsgebieten gewährleistet und sukzessive wird dann das Netz ausgebaut. Deutschlandradio ist sehr daran gelegen, den Ausbau in der Fläche noch zu beschleunigen.

Werden im Herbst genügend DAB+ Empfangsgeräte verfügbar sein?

Hier sieht die Situation deutlich besser aus als noch vor einigen Jahren. Geräte für den Hausgebrauch werden mittlerweile schon für unter 40 Euro angeboten. Es gibt auch Smartphones mit DAB-Empfangsteil und die Anzahl der Produkte wird in naher Zukunft deutlich steigen. Es spricht also nichts gegen eine kombinierte Gerätenutzung von DIGITAL RADIO und Internet. Sie ergänzen sich sehr gut.

Viele private Hörfunk-Anbieter zeigen bislang wenig Interesse an DAB als digitale Verbreitungsplattform. Was ist zu tun, um das zu ändern?

Durch das erhöhte Programmangebot in der digitalen Welt verändert sich natürlich auch die Konkurrenzsituation im Radiomarkt. Daher gibt es Hörfunkanbieter, die mit dem bisherigen, abgeschotteten UKW-Radiomarkt aus ihrer Sicht sehr zufrieden sind und in der Tat kein Interesse an DAB zeigen. Das kann aber auf Grund der Vorteile des digitalen Hörfunks nicht das Ziel einer nachhaltigen Hörfunkpolitik sein. Hier ist natürlich auch die Politik gefragt, entsprechende Anreize für die Einführung eines digitalen Hörfunks zu schaffen.

Viele kommerzielle Radiounternehmen scheuen aber die Übergangsphase, denn hier müssen zwei Übertragungswege bezahlt werden und die DAB-Hörer sind zunächst noch in der Minderheit, um ausreichende Werbeeinnahmen zu generieren. Die einzige Möglichkeit hier voranzukommen ist, digitalradiofähige Geräte in den Markt, sprich zum Beispiel auch in die Fahrzeuge zu bringen. Wir begrüßen daher den Ansatz, den Verkauf von digitaltauglichen Radiogeräten ab dem Jahr 2013/2014 gesetzlich zu verankern und den Verkauf von rein analogen Geräten spätestens dann zu beenden.

Im aktuell gültigen Telekommunikationsgesetz ist sogar ein Ende der Frequenzzuteilung für den UKW-Rundfunk bis 2015 vorgesehen. Dieses Datum ist sicherlich nicht mehr realistisch und wird etwas nach hinten verschoben werden, aber alle Hörfunkanbieter, die über ein Hörfunkmedium in Zukunft präsent sein wollen, müssen sich also jetzt über einen Umstieg in die digitale Hörfunktechnik Gedanken machen.

Dies sollte bei dem langfristigen Einsparpotential von DAB den Hörfunkanbietern eigentlich nicht zu schwer fallen. Die zusätzlichen Kosten nämlich, die durch eine zehn- bis zwölfjährige Simulcast-Phase entstehen, sind drei Jahre nach der Umstellung und Abschaltung von UKW wieder amortisiert.
Peter Kaminski
(MB 02/2011)

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