Volle Filmlager bei der ARD

Bei der Jahrespressekonferenz der ARD-Koordination Fernsehfilm und der ARD Degeto Anfang Januar in Hamburg galt das Interesse in diesem Jahr vor allem der Einkaufs- und Produktionstochter der ARD, der Frankfurter Degeto, die ihren Etat für die Programm-Produktion erheblich überzogen hat und dadurch in Schieflage geraten ist. Wie es weiter geht mit der Degeto, die sich derzeit in der Restrukturierungsphase befindet, und wer die Leitung übernimmt, fragen sich derzeit nicht nur die Medien.

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Volle Filmlager bei der ARD

Die Degeto Film GmbH muss in diesem Jahr ihre Neuproduktionen um rund die Hälfte reduzieren, bestätigte Geschäftsführerin Bettina Reitz auf der Jahrespressekonferenz des Unternehmens in Hamburg. Rund 60 Neuproduktionen steuert die in Frankfurt beheimate Filmeinkaufs- und Filmproduktions-Organisation der ARD gewöhnlich für die fiktionalen Sendeplätze der ARD im Jahr bei. 2012 werden es also nur 30 Produktionen sein. Grund: Die ARD-Tochterfirma hat noch reichlich fertig gestellte Filme auf Halde liegen. Die müssen erst noch gesendet werden, bevor neu produziert werden kann.

Für 16 Filme fällt in den kommenden Monaten die Drehstart-Klappe, so Reitz, 14 weitere Produktionen befänden sich im Endstadium der Dreharbeiten oder bereits in der Postproduktion. „Ansonsten sind die Lager für 2012 komplett und 2013 nahezu vollständig gefüllt“, erklärte Reitz.
Die Degeto verfügt über ein Budget von 400 Mio. Euro für Filmeinkauf und Produktion jährlich, 250 Mio. davon stehen für Eigen- und Koproduktionen zur Verfügung. Vor einigen Monaten musste der ehemalige Geschäftsführer Hans-Wolfgang Jurgan eingestehen, dass es dem Untenehmen an Liquidität mangelt, um Verpflichtungen wie noch ausstehende Ratenzahlungen für Produktionen nachzukommen. Konkret fehlten 23 Mio. Euro in der Kasse, die von der ARD vorfinanziert wurden. Jurgan musste gehen. Die vorgestreckte Summe will die ARD in den kommenden drei Jahren mit jährlich sieben Mio. Euro vom Budget wieder einsparen.

Reitz, die ab 1. Juni 2012 als Fernsehdirektorin zum Bayerischen Rundfunk (BR) zurückkehrt, versicherte, bis Ende Mai die Krise so weit zu beheben, dass der Weg für eine neue Vision und eine neue unbelastete Mannschaft frei sei. Wer die Degeto in diese Zukunft führt, auf die eine Menge Produzenten im Lande hoch gespannt wartet, das ist allerdings noch nicht geklärt.
2012 wird vor allem ein Jahr der großen Literaturverfilmungen im Ersten. Nach der bereits gesendeten Pavel Kohout-Verfilmung „Die lange Welle hinterm Kiel“ stehen noch die Filme nach der Hermann-Hesse-Novelle „Die Heimkehr“ sowie nach dem DDR-Gesellschaftsroman „Der Turm“ von Uwe Tellkamp an. Dazu die epische Historienverfilmung zu Heinrich Manns „Henri 4“, die als Zweiteiler auf Sendung geht.

Zufrieden sind die Programmverantwortlichen auf die Mittwochsfilme im Ersten, wie die ARD-Koordinatorin Fernsehfilm Verena Kulenkampff ausführte. „Wir schielen auf diesem Sendeplatz nicht so sehr auf die Quote. Ebenso wichtig sind uns Kriterien wie künstlerische Relevanz und Aktualität der Stoffe. Wir erreichen dort auch für sperrige Filme gute Reichweiten. 14,5 Prozent Marktanteil im Durchschnitt der letzten vier Jahre auf diesem Sendeplatz zeigt doch, dass uns die Zuschauer kontinuierlich auf diesem Sendeplatz gefolgt sind“, erklärte sie. Doch wirft das auch die Frage auf, warum sich nicht auch mit ambitioniertem Profil Steigerungen erzielen lassen? Dies ist der ARD vor allem am Sonntagabend mit den Krimis gelungen. Dort ist der Marktanteil von 14,6 auf 20,6 Prozent in den letzten sechs Jahren geklettert und bei den 14 bis 49jährigen hat sich auch ein Anstieg von 14,7 auf 17,1 Prozent eingestellt. „An dieser Stelle haben uns die jugendlichen Zuschauer jedenfalls nicht verlassen,“ bemerkte Kulenkampff leicht süffisant. Häufig wird den öffentlich-rechtlichen Sendern vorgeworfen, sie erreichten die jungen Leute nicht mehr.

Gut gefüllt sind die Lager auch bei den von der Degeto eingekauften internationalen Kinohighlights von „Der Vorleser“ über „Willkommen bei den Sch’tis“ bis zu Woody Allens romantischer Tragikomödie „Vicky Christina Barcelona“ mit Javier Bardem und Penélope Cruz. Für die langen Dokumentarfilme hat die ARD zwölf Termine für 2012 reserviert.
Bernd Jetschin
(MB 02/12)

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