Neustart im Broadcast-Geschäft

T-Systems will im Broadcast-Geschäft wieder angreifen. Erst vor drei Jahren hatte sich Tochter der Deutschen Telekom mit dem Verkauf der Unit MEDIA BROADCAST an die französische TDF-Gruppe weitgehend aus diesem Markt zurückgezogen. Als Account Director ARD und ZDF wurde Anfang des Jahres Dr. Martina Domeyer engagiert. Sie kommt von Vodafone. MEDIEN BULLETIN sprach mit ihr über Hintergründe und Strategien der T-Systems-Neuausrichtung.

2
Neustart im Broadcast-Geschäft

Was prädestiniert Sie für die neue Aufgabe bei T-Systems?

Ich bin von Haus aus Naturwissenschaftlerin. In dem von mir betreuten Kundensegment hilft das sehr, weil hier sehr viele technische Fragen zu klären sind und der Kunde mehr Beratungs- als Vertriebsengagement erwartet. Zudem war ich über acht Jahre lang im Medienumfeld tätig. Ich habe lange Zeit das Consulting bei meinem alten Arbeitgeber geleitet und dort ein Kompetenzteam für Medien aufgebaut. Da hatte ich natürlich auch mit den großen Medienhäusern und den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu tun. Für mich ist es eine besondere Herausforderung, das Rundfunk-Geschäft bei T-Systems wieder ausbauen zu können und die strategische und operative Verantwortung dafür zu übernehmen.

Wie viele Mitarbeiter sind derzeit in Ihrem Bereich tätig?

Wir bauen noch auf. Ich leite ein kleines schlagkräftiges Vertriebsteam. Je nach Kundenprojekt arbeiten einige Dutzend Mitarbeiter im Hintergrund mit, denn wir greifen auf die Ressourcen der unterschiedlichsten Bereiche des Konzerns zurück. Das betrifft insbesondere den Vertrieb im Leitungs- beziehungsweise im Broadcast-Netz-Geschäft, aber auch im gesamten IT-Segment. Ich finde es persönlich sehr spannend, dass ich hier nun die Möglichkeit habe, den Rundfunk-Kunden IT-basierte Lösungen anbieten zu können – unter anderem für Storage-, Server- und Archivsysteme ebenso wie für Aufgaben in der Verwaltung, im Personalwesen und im kaufmännischen Bereich.

Bieten Sie den von Ihnen betreuten öffentlich-rechtlichen Sendern auch Outsourcing-Möglichkeiten im IT-Bereich an?

T-Systems ist einer der größten Outsourcer in Europa. Wenn der Kunde das wünscht, können wir auch Outsourcing bieten. Allerdings waren die Sender von ARD und ZDF hier bisher zurückhaltend. Geraten die Rundfunkanstalten weiter unter Kostendruck, werden Sie vielleicht auch Outsourcing für sich als Option entdecken. Das bleibt abzuwarten. Der Kunde entscheidet, wie er mit uns zusammenarbeitet.

Welchen Stellenwert hat das Thema Cloud in Ihrem Dienstleistungsangebot?

Ein sehr hohen. Wenn ich mit meinen Kunden über Cloud rede, dann über „Private Cloud“. Das bedeutet, dass wir ihre Daten in Deutschland auf einem für sie exklusiven Speicher ablegen. Möglich ist auch eine Lösung beim Kunden, das ist dann allerdings eine teuere Variante als die bei uns im Rechenzentrum.

Das Thema Cloud war dieses Jahr auch für die Deutschen Telekom sehr wichtig. Sie hat in diesem Bereich ebenso wie T-Systems in den letzten Jahren stark investiert, große Erfolge auf dem Markt verzeichnet und wichtige Kunden wie Shell und Daimler gewonnen. Die DTAG ist mit ihrem Cloud-Angebot für Großkunden einer der führenden Anbieter in Europa und weltweit. Das heißt, wir können das Wissen über die unterschiedlichsten Cloud-Arten wie Private Cloud oder Hybrid Cloud, das wir uns in den letzten Jahren erarbeitet haben, auch dem Rundfunkmarkt verfügbar machen.

Welche Dienstleistungen werden Sie Ihren öffentlich-rechtlichen Rundfunkkunden als erstes anbieten? Welche Services haben die beste Chance von ihnen genutzt zu werden? Gehören auch Dienstleistungen zur Remote-Produktion dazu?

Für mich ist beim Rundfunk der Netzbereich besonders spannend und natürlich auch die Remote-Produktion, die damit ja in unmittelbarer Verbindung steht. Wir beteiligen uns an den Ausschreibungen der regionalen Netze, die nach gewissen Bindungsfristen nach und nach wieder frei werden. Mit der Deutschen Telekom im Rücken haben wir zudem den Vorteil, dass wir in Deutschland das Netz mit der größten Flächendeckung anbieten können. So sind wir in der Lage, den Rundfunksendern auch Leitungen für kleinere Events auf dem flachen Land zu schalten. Natürlich sind Großevents wie UEFA-Fußball-Europameisterschaft oder die Olympischen Sommerspiele 2012 für uns besonders interessant. Für beide Großveranstaltungen haben wir den Kunden redundante, ausfallsichere Leitungen bereitgestellt. Wenn eine Erstführung ausfällt wird dabei automatisch der Zweitweg gesucht, sodass der TV-Zuschauer von einer Leitungsstörung gar nichts mitbekommt. Die Kunden schätzen bei solchen Ereignissen auch unseren Service. Unsere Techniker sind bei den wichtigen Events immer vor Ort, sorgen für den sauberen Leitungsaufbau und stehen als Ansprechpartner immer zur Verfügung. Die Zuschauer akzeptieren keinen Bildausfall bei spannenden Sportereignissen. Deshalb brauchen die Broadcast-Kunden die Sicherheit, dass alles gut geht. Für die Stabilität unserer Leitungen haben wir schon viel positives Feedback erhalten.

Internationale Wettbewerber engagieren sich verstärkt im deutschen Leitungsmarkt – auch im Broadcast-Bereich. Wie sehen Sie die Konkurrenzsituation für T-Systems?

Es ist ganz normal, dass viele ein Stück von dem Leitungsmarkt-Kuchen abhaben wollen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind aber froh, dass es unter den Wettbewerbern auch einen Deutschen Carrier gibt. Sie wissen, mit wem sie sprechen müssen und dass wir Service Center beziehungsweise Betriebsstationen wie unser Internationales Netzmanagement-Center (INMC) in Frankfurt haben. Für die Broadcast-Kunden halten wir den Support in Deutschland vor. Das ist bei Wettbewerbern teilweise anders. Ein weiteres Plus ist unsere große Flächendeckung, Die großen „Rennstrecken“ in Deutschland können alle Wettbewerber, wir können auch kleinere Städte. Unsere Kunden wissen das. Und deshalb bin ich auch sehr optimistisch, dass wir uns erfolgreich im Markt etablieren werden.

Und wie sehen sie den Wettbewerb zu Media Broadcast, den alten Kollegen von T-Systems?

Wir kennen uns gut, haben über die Jahre auch eng zusammengearbeitet und werden das im Netzbereich auch weiter tun. Wie in anderen Branchen auch üblich sind wir Partner und Wettbewerber zugleich. Mit dem neuen Besitzer TDF gab es ein Gentlemen-Agreement, dass wir nach dem Verkauf der Media Broadcast den Ball als direkter Wettbewerber erst einmal flach halten. Nun ist diese Zeit abgelaufen und wir geben jetzt in diesem Markt wieder Gas.

Warum hat man sich denn erst von Media Broadcast getrennt, wenn man jetzt wieder ins Broadcast-Geschäft einsteigt?

Das war eine unternehmensstrategische Entscheidung, den Fokus zunächst anders zu setzen. Nach Jahren als Partner ist jetzt die Zeit wieder reif, auf diesem Markt selbst wieder aktiv zu werden.

Betrifft ihr Engagement auch für Netze für DVB-T und Digitalradio DAB+?

Ja. Wir konzentrieren uns im Netzbereich auf Kontribution und Distribution, also auf alles was mit Einsammeln und Verteilen von Inhalten zu tun hat. Wir bieten alles an, was die Medienhäuser benötigen, um Audio und Video auf den verschiedensten Wegen zu verbreiten.

Das heißt, Media Broadcast, bislang marktbeherrschender Player in den angesprochenen Bereichen, bekommt durch ihr Engagement jetzt echte Konkurrenz? Mehr Wettbewerb müsste sich auch positiv auf die Leitungs- beziehungsweise Übertragungskosten für die Sender auswirken?

Ja, da haben Sie recht. Das wird wohl so kommen. Für unsere Kunden ist aber der Service, der mit der Übertragung verbunden ist, viel wichtiger, als ein Schnäppchen bei den Leitungskosten zu schlagen. Die Sender wissen, dass sie bei uns guten Service bekommen. Unsere Service-Leute sind für sie da, wenn der Kunde sie braucht.

Welchen Vorteil bietet den Broadcast-Kunden Ihr Internationales Netzmanagement-Center in Frankfurt?

Im großen INMC der Deutschen Telekom in Frankfurt laufen die Leitungen sämtlicher Netze in Deutschland ebenso wie viele internationale Leitungen zusammen und werden hier rund um die Uhr überwacht. Die Kollegen dort betreiben selbst Forschung an Netzen. Das heißt, Hersteller von Bauelementen aus Netzen, Kabelhersteller oder wer auch immer stellen den Kollegen vor Ort die Produkte vor und testen mit ihnen, inwieweit sie für den Einsatz in den Netzen in Frage kommen. Außerdem sind die Kollegen dort gefragte Ansprechpartner für Planung und Organisation von Übertragungen bei weltweit relevanten Events wie zuletzt bei den Olympischen Spielen und den US-Wahlen.

Warum ist Ihre Position beschränkt auf die Öffentlich-Rechtlichen? Gibt es einen weiteren Geschäftsbereich mit Dienstleistungen für private Broadcaster?

Auch die anderen Programmanbieter, wie die der Sendergruppen von RTL und ProSiebenSat.1, werden bereits von T-Systems bedient. Sie sind dem Sektor „Private“ zugeordnet, wohingegen ich mich um den Sektor „Public“ kümmere. Wir gehen konzentriert ARD und ZDF und deren Beteiligungen wie das IRT an und fokussieren uns auf deren Bedürfnisse. Die Öffentlich-Rechtlichen ticken anders als RTL oder ProSieben. Um sie genau da abzuholen, wo sie sind, haben wir uns entschieden, eine entsprechende Kerngruppe für ARD und ZDF bereitzustellen.

Wo ist ihre Unternehmenseinheit angesiedelt?

In Frankfurt. Von dort aus betreuen wir die Öffentlich-rechtlichen deutschlandweit.

T-Systems war auf den MEDIENTAGEN MÜNCHEN präsent. Was haben Sie dort gemacht?

Die Deutsche Telekom und T-Systems waren dort mit zwei gegenüberliegenden Ständen vertreten. An unserem Stand haben wir gemeinsam mit den Partnerunternehmen IRT, Cisco, Net Insight und Dimetis ein Remote Control Showcase gezeigt. Dabei stand beim Institut für Rundfunktechnik (IRT) eine Kamera, die wir von unserem Stand aus per Joystick fernsteuern konnten, einschließlich aller Kameraparameter wie Schärfe, Brennweite und Blende. Eingesetzt haben wir dafür medienspezifische Systemtechnik unserer Partner. Die Videosignale wurden über eine Ethernet-Verbindung mit 300 Mbit/s Bandbreite übertragen. Wir haben hier gezeigt, wie man mit ein oder zwei Kameras Events oder kleinere Sportveranstaltungen kostengünstig und effektiv produzieren und übertragen kann.

Wir haben zuvor übrigens auch schon einen Interoperabilitätstest mit dem IRT gemacht. Dabei wurde die medienspezifische Systemtechnik zur Übertragung von Audio/Video-Signalen der vier wichtigsten Hersteller in einem Netz verknüpft und die Funktionalität der jeweiligen Schnittstellen erfolgreich getestet.

Welche Rolle spielen Partnerschaften wie die angesprochenen für T-Systems?

Wir greifen auf Partner zurück, wo es erforderlich ist. Zunächst nutzen wir allerdings die Ressourcen des Konzerns – und die decken ein breites Spektrum ab.

Gibt es dabei präferierte Kooperationspartner?

Ich würde hier gerne Dimetis hervorheben. Das Unternehmen war auch bei dem angesprochenen IRT-Test mit von der Partie. Es hat die Software bereitgestellt, um alle dort eingesetzten Geräte zusammen zu schalten. Für mich ist Dimetis ein wichtiger Partner, weil er mir die Chance eröffnet, herstellerunabhängig in meinem Netzbereich zu arbeiten. Je nach Kundenanforderungen kann ich mich entscheiden, mit welchen systemspezifischen Techniken ich in ein Projekt hinein gehe.

Was versprechen Sie sich von Ihrer Präsenz auf den MEDIENTAGEN MÜNCHEN 2012?

Wir waren auch schon im Jahr davor auf den MEDIENTAGEN. Als deutsches Unternehmen wollen wir zeigen, dass wir wieder im Rundfunkmarkt aktiv sind und dass wir die Anforderungen der Rundfunksender an Sendernetze oder auch Themen aus dem IT-Bereich wie Speichern, Archivieren, SAP und so weiter erfüllen können. Auf den MEDIENTAGEN MÜNCHEN sprechen wir mit vielen potentiellen Kunden über unser Service-Portfolio.

Und was sind Ihre Erwartungen für die nahe Zukunft? Wo sehen Sie die besten Chancen?

Im IT-Bereich hat ganz klar das Thema Speicher/Archivierung die höchste Relevanz. Es brennt den Rundfunkanstalten unter den Nägeln, weil sie sehr viel Material digital archivieren möchten. T-Systems kann dafür nicht nur die Hardware liefern, sondern auch die Dienstleistungen, um gespeicherte Inhalte mit Metadaten zu versehen und diese ebenso schnell wie einfach wieder finden und nutzen zu können.

Auch im Netzbereich sehen wir gute Chancen. Für unsere Kunden möchten wir gerne regionale Netze betreiben und Standorte verbinden. Hier sind wir mit vielen Medienunternehmen im Gespräch. Dazu kommt das Thema Event-Anschlüsse. Wir können kleinere Übertragungen realisieren bis hin zum Komplettservice bei Großevents. Wir sind deshalb sehr zuversichtlich, dass wir uns mit attraktiven Angeboten erfolgreich im Markt etablieren können.
Eckhard Eckstein
(MB 12/12_01/13)

Anzeige
Relevante Unternehmen