UHD-Start mit Hindernissen

Seit gut drei Jahren dreht sich in der Unterhaltungselektronik alles um UHD (Ultra High Definition). Doch ultrahochaufgelöste Inhalte sind bislang Mangelware. Im September meldete Satellitenbetreiber SES Astra nun den Start erster UHD-Sender, darunter der Shoppingsender Pearl.tv UHD. Dessen Sendestart war jedoch ein Echter Hindernislauf.

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UHD-Start mit Hindernissen

Ob Navis, Tablets, portable Audioplayer oder Druckerpatronen – der Versandhändler Pearl GmbH in Buggingen vertreibt preiswerte Elektronikartikel aller Art. Neben einem Katalog und einem Webshop bewirbt das Unternehmen seine Produkte seit 2012 über einen Teleshopping-Sender, der sich via Astra-Satellit sowie als Live-Stream per Internet empfangen lässt. Diese Werbemittel produziert das Schwesterunternehmen Enstyle GmbH, an dem Daniel Ludwig, alleiniger Gesellschafter von Pearl, ebenfalls beteiligt ist. Im Mai dieses Jahres kündigten Pearl und Enstyle an, den Teleshoppingsender künftig in UHD, also ultrahochauflösend auszustrahlen.

Für die Übertragung per Satellit schloss Enstyle einen Vertrag mit Satellitenbetreiber Astra Deutschland. Der Satellitenbetreiber forciert das Thema UHD aus geschäftlichem Interesse: Nachdem Ende April 2012 die meisten analogen Satellitensender auf der beliebten Position 19,2 Grad Ost abgeschaltet wurden, verfügt die Flotte über freie Kapazitäten. Abhilfe versprechen ultrahochaufgelöste Programmangebote. Denn bereits zwei UHD-TV-Sender belegen einen Transponder komplett, der sonst sechs HDTV-Programme ausstrahlen kann. Am 4. September 2015 war es soweit: Auf der IFA eröffneten Wolfgang Elsäßer, Geschäftsführer von Astra Deutschland, und Enstyle-Chef Michael Sichler feierlich den UHD-Sendebetrieb. Gemeinsam mit Olga Hoffmann, der aktuellen Miss Germany, drückten sie einen großen roten „Buzzer“, und starteten so die UHD-Übertragung per Satellit. Das Szenario erinnerte keineswegs zufällig an den Start des Farbfernsehens auf der IFA 1967, das mit einem Tastendruck des ehemaligen Bundeskanzlers Willy Brandt aufgeschaltet wurde. Dabei stand der Start des ultrahochauflösenden Senders bis zuletzt auf der Kippe, wie Sichler im Gespräch mit MEDIEN BULLETIN verriet. Denn die nötige UHD-TV-Produktionstechnik sei entgegen allen Ankündigungen nicht so einfach verfügbar gewesen, sagte Sichler. Die ersten Sony-4k-Broadcast-Systemkameras HDC-4300 wurden auf der NAB im April dieses Jahres vorgestellt, und auch die 4k-Server PWS-4400 wurden bereits mehrfach auf Showcases eingesetzt. Dies seien jedoch, so wurde Sichler zugetragen, nur wenige Modelle, die von Showcase zu Showcase transportiert würden. Sichler wollte die HDC-4300 jedenfalls ordern: „Ich habe angerufen und wollte drei Stück bestellen“, sagte Sichler. „Um die 90.000 Euro kostet so ein Modell samt Optik und Zubehör. Der Vertrieb sagte: ‚Gerne‘, es gäbe auch bereits 27 Vorbestellungen“, erzählte Sichler. Als er den Starttermin Anfang September nannte, musste der Hersteller jedoch passen. Bis September zu liefern sei ganz und gar unmöglich, lautete die Antwort. Ein Sprecher von Sony beteuerte auf Nachfrage hingegen, die Kameras seien bereits seit Mai lieferbar.

Enstyle musste sich jedenfalls nach anderen UHD-Produktionsmitteln umschauen. „Wir haben die Preisliste dann von oben nach unten sortiert um zu sehen, was machbar ist“, sagte Sichler. Schließlich entschied sich Enstyle für den Hersteller Blackmagic Design. Das australische Unternehmen hatte bereits zur NAB 2014 eine 4k-Studiokamera vorgestellt. „Eigentlich hätte ich lieber die Broadcast-Version der URSA-4k-Kamera eingesetzt“, sagte Sichler. Doch Blackmagic Design hat das Modell vom Markt genommen, um zur diesjährigen IBC schließlich die URSA MINI vorzustellen. Die Studio Camera von Blackmagic Designs ist hingegen in zwei Versionen erhältlich: Für HD- sowie für UHD-Produktionen. Das Modell ist mit einem MFT-Sensor (Micro Four Thirds) und dem entsprechenden Objektiv-Mount bestückt. Im recht flachen Kameragehäuse ist ein 10,1 Zoll großer Vorschaumonitor integriert. Die Studio Camera liefert über einen speziellen 12G-SDI-Ausgang ein UHD-Signal über ein einzelnes BNC-Koaxialkabel – verspricht der Hersteller.

Doch über handelsübliche Koaxialkabel gelang keine störungsfreie Übertragung. „Unsere bisherigen SDI-Kabel schafften es nicht“, erzählte Sichler. „Wir haben eigens geeignete Kabel anfertigen lassen.“ Je 25-Meter-Kabel hätte die Produktion daher rund 180 Euro berappen müssen. Ein Vielfaches des üblichen BNC-Koaxkabel-Preises. Zudem musste die Produktion für den Start in Berlin auf Tally und Talkback verzichten. Optional bietet Blackmagic auch ein Interface für die Kamera, um optische Kabel zu verwenden (Lichtwellenleiter, LWL). Doch entsprechende Wandler für Glasfaser auf 12G-SDI seien noch nicht verfügbar, erläuterte Sichler. Für die Studioproduktion setzte Enstyle zudem auf hochwertige Broadcast-Objektive von Fujinon. Dazu wurden die MFT-Studiokameras mit Adaptern auf B4-Mount ausgerüstet. Doch das Steuerungskabel für den Zoom-Motor am Objektiv ließ sich nicht mehr in die Buchse am Objektiv stecken, da dieses zu knapp neben der Kameraschiene saß. Die Stecker mussten daher angepasst werden. Obacht ist zudem angesagt, wenn B4-Objektive für kleinere 2/3-Zoll-Sensoren auf die größeren MFT-Chips adaptiert werden. Wegen des kleineren Beleuchtungskreises kann Vignettierung auftreten. Und auch die Studiobeleuchtung musste für die UHD-Produktion angepasst werden: Die UHD-MFT-Chips weisen bei gleicher Sensorgröße die vierfache Pixelanzahl auf. Daher ist jedes einzelne Pixel entsprechend kleiner und weniger lichtempfindlich. „Deshalb benötigen wir für die UHD-Produktion deutlich mehr Licht“, erläuterte Sichler. Dafür nutze Enstyle ausschließlich LED-Panels. Doch deren Lebensdauer sei in der Praxis auf zwei bis drei Jahre begrenzt. „Die von den Herstellern versprochenen 25.000 Betriebsstunden sind ein Marketing-Märchen“, bemerkte Sichler.

Kurz vor dem Start bereitete zudem das Playout-System massive Schwierigkeiten. Es hakte bei der 4k-Ausgabe. „Die Probleme des Playouts rührten auch daher, dass wir nicht nur in UHD, sondern auch mit 50 Bildern pro Sekunde senden“, erläuterte Sichler. Das System verursachte permanent Frame Dropouts, pro Sekunde fehlten vier bis fünf Frames. Das Ergebnis war nicht sendetauglich. „Am Dienstagabend habe ich gedacht, das klappt nicht“, erzählte Sichler. „Ein bis zwei Wochen vorher haben wir fest mit einem Playout-Anbieter gerechnet“, sagte Sichler. „Der hat uns jedoch auflaufen lassen – und es nicht hinbekommen.“ Das hätte auch schief gehen können, sagte Sichler rückblickend. Notgedrungen berief Enstyle eine Telefonkonferenz ein. „Das war die größte Telefonkonferenz, an der ich bislang teilgenommen habe“, erinnerte sich Sichler. „Allein die Begrüßung sämtlicher Teilnehmer dauerte zwei bis drei Minuten.“ Gegen drei Uhr nachmittags deuteten sich zwei Lösungswege an. Um 18:30 Uhr erhielt Sichler schließlich eine dritte Lösung, die gangbar war. Dazu musste der Cloud-Dienst des Anbieters EMC2 aus der Sendkette entfernt werden. Doch auch dies reichte offenbar nicht für einen belastbaren Betrieb. Sichler besorgte für das Playout schließlich den schnellsten Mac, den er bekommen konnte. Blackmagic Design stellte für den Sendestart zudem einen UHD-tauglichen Prototyp seines 2-Mischebenen-Bildschmischers zur Verfügung. „Blackmagic Design war der einzige, der das konnte“, sagte Sichler.

Für das Projekt hätte er gerne Sony als Partner gewonnen, räumte Sichler ein. „Eine Zusammenarbeit mit Sony hätte dem Projekt mehr Glanz verliehen.“ Doch es scheiterte an der Verfügbarkeit der Komponenten. „Mittlerweile bin ich ein Fan von Blackmagic Design geworden“, bekannte Sichler. Enstyle nutze mehrere ATEM-Bildmischer, die 24 Stunden am Tag durchlaufen. „In drei Jahren mussten wir die Geräte dreimal neu starten. „Aber nicht, weil sie hängengeblieben wären“, so Sichler. „Sondern lediglich, um deren Einstellungen zu ändern.“ Zudem verwendet die Produktion die Formatwandler Teranex Express von Blackmagic Design. „Je Stück kosten die um 2.500 Euro. Bei der Konkurrenz zahlen Sie 15.000 bis 20.000 Euro“, so Sichler.

Insgesamt kostete das Projekt das Dreifache dessen, was versprochen war. „Die großen Sender werden sicherlich noch vier bis fünf Jahre brauchen, um auf UHD umzusteigen“, schätzte Sichler. Leider könne Enstyle aktuell auch nur einen Teil dessen zeigen, was UHD ausmacht. „Doch wir sind heute auch noch nicht am Ende“, sagte Sichler. Denn der aktuelle Stand sei lediglich ein Zwischenschritt. „Wir sind jederzeit bereit, alles wieder rauszuschmeißen und durch neue Technik zu ersetzen.“

Jan Fleischmann

MB 7/2015

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