Flasche oder Dose?

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Flasche oder Dose?

Cemal Noyan ist ein Selfmade-Man erster Güte. Mit Durchsetzungsvermögen und technischer Weitsicht hat der gelernte Toningenieur in wenigen Jahren das Unternehmen Imaj in Istanbul zu einem eindrucksvollen Produktions- und Postproduktionszentrum aufgebaut, das keinen internationalen Vergleich scheuen braucht. Nun plant er, sein Engagement im Bereich Digital-Cinema deutlich auszubauen. MEDIEN BULLETIN traf Noyan in Istanbul zum Interview.

Welche Rolle spielt HDTV für Imaj?
Wir setzen immer auf die neueste Technologie. Deshalb haben wir auch sehr früh begonnen, HDTV-Equipment anzuschaffen. Heute verfügt Imaj über den größten HD-Kamerapark in Europa mit allein über 40 4:4:4-HD-Kameras. Imaj hat zudem sein komplettes Postproduktions-Equipment mit Discreet-, Avid- und Digidesign-Systemen HD-tauglich gemacht. Wir sind damit in der Lage, den kompletten Postproduktions-Workflow einschließlich Ton in allen HD-Auflösungen zu bedienen. Diese Möglichkeit zieht mittlerweile auch immer mehr internationale Kunden an. Das HD-Engagement bedeutet für uns deshalb eine wertvolle Zukunftsinvestition.

Was plant Imaj als Nächstes?
Wir wollen stärker in die digitale Filmproduktion einsteigen. Heute gibt es in der Türkei gerade einmal 20 Digital-Cinema-Leinwände. Ende 2009 aber schon zehnmal soviel sein. Die Weltfinanzkrise trägt dazu bei, dass sich Digital-Cinema schneller entwickelt. Ich glaube, dass 2010 alle Welt auf Digital-Cinema umsteigen wird. Das bietet nicht nur den Kinos viele Vorteile, sondern der gesamte Entertainmentindustrie. Die Kinos können viel besser für diverse Events genutzt und wirtschaftlich effizienter betrieben werden. Studios und Filmproduzenten profitieren davon, dass keine teuren Filmkopien mehr benötigt werden.

Wo sehen Sie hauptsächlich das Digital-Cinema-Betätigungsfeld von Imaj?
Noch bin ich unsicher, in welchem Bereich wir da erfolgreich sein können. Ich ziehe deshalb zunächst einmal alles in Betracht, egal ob Distribution oder Produktion. Wir arbeiten heute schon intensiv in diesen Bereichen und informieren uns weltweit über das Thema. Ich war in diesem Jahr unter anderem in Japan und Korea und habe mich dort mit Digital-Cinema-Machern getroffen. Außerdem sondiere ich, welche Möglichkeiten für Digital-Cinema in der Türkei existieren.

Warum sind Sie vom digitalen Film so überzeugt?
Ich bin schon seit 1963 im Film- und TV-Geschäft und habe immer nur nach vorne geschaut. Alte Technologien interessieren mich nicht. Und die Zukunft ist nun mal digital. Man kann aber auch hier nur erfolgreich sein, wenn man sich nicht verzettelt. Ich konzentriere mich deshalb lieber ganz auf Digital-Cinema und 3D-Film.

Das setzt auch wieder neue Investitionen voraus?
Klar, man muss immer mehr investieren, wenn man den Umsatz steigern will. Ich glaube aber auch, dass im Laufe der Zeit in der digitalen Welt vieles einfacher wird. Am Ende werden alle Plattformen letztlich aus einem digitalen Format gespeist. Den Unterschied macht nur noch die Verpackung. Das ist dann wie Coca-Cola, klein oder groß, aus der Dose oder aus der Flasche. Ich möchte alle Produktionen, an denen ich ab 2010 beteiligt bin, gleichzeitig auf verschiedenen Plattformen veröffentlichen – im Pay-TV, im Kino und auf DVD. Erste Versuche mit dieser Art von Multidistribution waren schon sehr erfolgreich.

Denken Sie da vorrangig an türkische Produktionen?
Ja. Ich bin überzeugt davon, dass auch kleinere, regionale Produktionen künftig gegenüber sehr aufwändigen internationalen Produktionen besser im Wettbewerb bestehen können. Bislang konnten es sich ja nur die Hollywood-Majors leisten, Tausende 35mm-Kopien von ihren Filmen zu ziehen und international zu verbreiten. Mit den kleinen Budgets unabhängiger nationaler Produktionen war das nicht möglich. Das ändert sich mit Digital-Cinema in der digitalen Welt. Hier sehe ich jetzt meine Chance. Interessant ist zudem, dass US-Unternehmen wie Disney, nationale Märkte wie die Türkei verstärkt mit speziell darauf zugeschnittene Programme bedienen wollen. Statt 120 Millionen Dollar für einen Hollywood-Streifen auszugeben, stecken die jetzt lieber drei Millionen Dollar in nationale Co-Produktionen, sichern sich mit 51 Prozent der Anteile die Kontrolle über den Film und reduzieren so ihr Investitionsrisiko ganz erheblich.

Digital-Cinema führt also zu einer Art Demokratisierung der Spielfilmwelt?
So kann man das durchaus sehen. Hollywood kommt mit der Finanzkrise auf den Boden der Tatsachen zurück. Das Geld wird jetzt auch dort knapp. Alternativen für die Filmdistribution sind gefragt. Einziger Luxus ist heute noch das Investment in Produktionsequipment. Ich meine aber, jeder der in neue Technologie investiert und das intelligent anstellt wird überleben. Meine Entscheidung 2001, 35mm-Film nicht weiter zu unterstützen, war richtig und bestätigt das.

Warum investieren Sie nur in Sony- und Panasonic-Kameras?
Ich mache nur das, wovon ich wirklich überzeugt bin. Viele Kunden haben mich bedrängt, auch RED-Kameras zu kaufen. Das habe ich aber ganz bewusst nicht gemacht, auch wenn ich dadurch Geschäft verliere. Ich bin eben sehr markentreu, wenn ich erst einmal von einer Firma überzeugt bin. Bei Sony bin ich zudem als einziger Europäer in einem Berater-Gremium. Wenn es um die Entwicklung neuer Kameras geht, ist hier meine Meinung gefragt. Sony wollte mit der Einführung der F35 zum Beispiel die F23 vom Markt nehmen. Ich habe denen geraten, das besser nicht zu tun. Die F35 ist zwar eine exzellente Filmkamera, die locker mit der D-21 von ARRI mithalten kann, aber sie ist für 3D-Aufnahmen nicht geeignet. Hierfür braucht Sony die F23.

Sie haben zwei F35 bestellt. Wann kommen die zum Einsatz?
Wir starten schon Ende November mit F35-Produktionen.

Welche sonstigen Investitionen stehen an?
Bis Ende des Jahres werden wir vor allem im Rental-Bereich investieren. Ich habe da eine lange Wunschliste, insbesondere was Kamerazubehör und Audio-Equipment für Aufnahmen am Drehort anbelangt. Außerdem bauen wir derzeit einen Zwölf-Kamera-HD-Ü-Wagen. Für dessen Fertigstellung ist noch mal eine Million Euro nötig.
Eckhard Eckstein (12/08)