Auf zu neuen Ufern!

Während noch im Fernsehjahr 2006 rund um das Fußball-WM-Sommermärchen leidenschaftliche Emotionen beim Public-Viewing auf- und abhüpften, hat man das Fernsehjahr 2007 gefühlsmäßig eher als öde und langweilig wahrgenommen. Kein Wunder, dass die TV-Sender vor allem die Abwanderung von jüngeren Zuschauern zum Internet beklagen. Das Gute daran: Eigentlich kann das Fernsehjahr 2008 nur besser werden.

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Irgendwie schien den Programm-Machern im Fernsehjahr 2007 der Spaß an der Sache verloren gegangen zu sein. Anstatt sich auf den kreativen Mittelpunkt im Geschäft, die Programmentwicklung, zu konzentrieren, ging es um Geld, um Rendite und um Medienpolitik vor den Toren einer komplett digitalisierten Medienwelt.
Vor allem die ProSiebenSat.1-Sendergruppe machte vor, wie man immer mehr Geld aus der Programmentwicklung abziehen kann, um sich als hübsche Braut für den Verkauf an Finanzinvestoren aufzustellen. Zwar hat Haim Saban sein Milliardengeschäft beim Verkauf der Gruppe an KKR/Permira noch erreicht, doch mittlerweile ist die Sendergruppe auch aufgrund des permanenten Managementwechsels so ausgeblutet und erschöpft, dass sich Sat.1 sogar vor VOX fürchten muss. Ob es da hilft, dass sich das Unternehmen nun paneuropäisch nennt, bleibt abzuwarten. Bekanntlich sind nur die TV-Sender erfolgreich, die in der Heimat geerdet sind.

Um nur nichts von den lukrativen Werbeeinnahmen an andere Sender abzugeben, hatten die ProSiebenSat.1- und RTL-Gruppe wohl so miteinander gekungelt, dass das Kartellamt ihnen mittlerweile einen Riegel vorgeschoben und eine deftige Millionen-Euro-Strafe aufgebrummt hat.
Schädlich für den deutschen Fernsehmarkt und damit auch für die geregelte Einführung neuer Technologien – von IPTV bis DVB-H – ist die historisch gewachsene föderale Interessenslage in der deutschen Medienpolitik, wo sich allerlei Medienfürsten der Bundesländer miteinander um ihre Pfründe streiten, und es keine zentrale Leitlinie gibt, wohin es jenseits des föderalen Prinzips in der neuen digitalen Welt gehen soll. Komplizierter wird die Gemengelage obendrein durch die Brüssler Kompetenzmacht. Die Medienpolitik der Bundesregierung hält sich vornehm raus, weil dafür die Länder in Deutschland zuständig sind, so dass eine grundlegende substanzielle rechtliche Neuregelung für das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichen und privaten TV-Sendern für die verschiedensten digitalen Distributionswege nicht einmal in Sicht ist. Geschweige denn, dass eine verbindliche Regelung zur flächendeckenden Einführung von HDTV überhaupt anvisiert werden würde.

Auch vielen TV-Fiction-Produzenten hat das Jahr 2007 nichts Gutes beschert. Die lukrativen Serien-Plätze bei den großen privaten Sendern blieben sogar verstärkt für importierte US-Fiction-Ware reserviert. Erst triumphierte der forensische Krimi CSI in diversen Varianten. Dann kam der eigenwillige US-Krankenhausdoktor, der an einem Krückstock geht, ganz groß heraus: „Dr. House“.

Schlecht ist sie nicht, die deutsche Fiction – und feiert auch zunehmend Erfolg im Weltvertrieb. Nur die seriellen Produktionen werden im Augenblick von der preiswerteren Lizenzware an die Wand gedrängt. Die sparsamen Sender haben Angst vor Innovationen. Doch konnte sich die alte Geheimwaffe „Cobra 11“ bei RTL gut über Wasser halten, das ZDF fiel mit seiner innovativen Krimiserie „KDD – Kriminaldauerdienst“ auf. Und bei ARD und ZDF fuhren weiterhin alle Serien gute Quoten ein, die das Heimatgefühl und den Wunsch nach Eskapismus bedienen, weshalb wir sie im nächsten Jahr wieder sehen: „Der Winzerkönig“, „Um Himmels Willen“, „Dr. Mertens“, „Dr. Kleist“, „Sturm der Liebe“, „Rote Rosen“, „Wege zum Glück“, „Tatort“ und „Rosamunde Pilcher“. Dabei wird die effiziente fiktionale Produktionsweise immer mehr verfeinert. Die Movies und fiktionalen TV-Events mit ur-deutschem Charakter wie etwa „Die Flucht“ oder „Die Frau von Checkpoint Charlie“ hatten weiterhin kaum Akzeptanzprobleme.

Ganz klar aber hat sich schon in 2007 die Dokumentation und die Live-on-Tape-Produktion von Unterhaltungssendungen viel Terrain zurückerobert, das in den vergangenen Jahren von der Fiction besetzt worden war. Im Doku-Bereich ploppen immer mehr Mischformen als Volks-TV auf, von „Aufstand der Alten“ (ZDF) bis „Bauer sucht Frau“ (RTL), wie sie teilweise in dieser Ausgabe von MEDIEN BULLETIN beleuchtet werden. Aber auch die gute alte Reisereportage und die zeithistorischen Dokumentationen haben zumindest bei den Öffentlich-rechtlichen wieder viel Raum gefunden, was sich im nächsten Jahr mit dem Schwerpunkt „China“ rund um die Olympiade in Peking noch verstärken wird. Die TV-Shows sind vom Wettbewerbsgeist und Spieltrieb geprägt: „Let’s dance“ (RTL), „Das Supertalent“ (RTL), „Schiffe versenken“ (Sat.1), „Schlag den RAAB“ (ProSieben). Da will auch das ZDF mithalten und ist gerade dabei, eine neue Musik-Show rund um Thomas Gottschalk zu entwickeln.

Verjüngung
Um die jungen Zuschauer zurückzugewinnen, haben ARD und ZDF in 2007 mit ersten Aktionen begonnen. So wurden zum großen Ärger der privaten Sender und Zeitungsverleger beispielsweise Mediatheken im Internet eingerichtet, wo man ausgewählte Programme zeitunabhängig aufrufen kann, und wo man sich nach Hoffnung von ARD und ZDF jünger und moderner positionieren kann. Harald Schmidt hat Oliver Pocher von ProSieben weg- und hin zur ARD gelockt und sich damit tatsächlich ein jüngeres Publikum besorgt. „Hart aber Fair“ ist vom Dritten ins Erste gewechselt und bringt damit ein wenig Zündstoff in die eingeschlafene Diskussion. Mit „Brain“ ist bei der ARD für 2008 ein neues Wissensmagazin in der Mache. Auch Spiegel-Redakteur Matthias Matussek, der sich bislang im Internet als ein TV-Star aufbaute, wird demnächst in der ARD eine Reportagereihe haben. Beim ZDF wird man das junge Publikum einerseits mit Blockbustern wie „Harry Potter“ und „Herr der Ringe“ locken. Andererseits sind ebenso aufwändige Wissenssendungen zum Beispiel zum Thema „Klimawandel“ geplant. Mit „Das fünfte Gebot“ kommt beim ZDF eine neue Krimi-Serie auf dem Schirm, die eine neuartige humoristische Erzählweise wagt.

Und schon im Olympiajahr 2008 wird ein emotionales Thema von ARD und ZDF gepuscht, das dann in 2009 sein 20. Jubiläum feiert: der Fall der Mauer – oder wie das ZDF auch seinen zweiteiligen Fiction-Event nennt, „Das Wunder von Berlin“. Bei der ARD ist für 2008 mit „Vera Brühne“ ein TV-Event geplant, das Sat.1 in seinen guten Zeiten entwickelt hatte.
Nach wie vor – und so wird es auch bleiben – wird im deutschen Fernsehen gekocht. VOX ist es mit „Die Kocharena“ gelungen, sogar eine dreistündige Show daraus zu machen und damit gleichzeitig „Das perfekte Dinner“ zu promoten. Einerseits ist die deutsche TV-Produktion sehr bodenständig preiswert in Bezug auf seine Formate geworden, andererseits gibt es immer lecker was zu essen: Hirschkalbsrücken, knackiges Gemüse, frischen Thunfisch und Garnelen, die leider aber nur 07)im Bild zu sehen sind und nicht auf dem Esstisch zuhause landen – da muss die Technik natürlich unbedingt was tun: Auf zu neuen Ufern! Schönes neues Jahr!
Erika Butzek (MB 12/07)

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