Runde Veranstaltung

Stereo-3D ist in aller Munde. Nachdem zuerst die Frage die Diskussion beherrschte, ob 3D nur eine Mode sei, setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass es sich dabei tatsächlich um etwas Dauerhaftes handelt, mit dem man sich egal ob Fiction-, Sport- oder Entertainment-Produzent ernsthaft auseinandersetzen muss, um nicht wirtschaftlich aufs Abstellgleis zu geraten. Mit einer 3D-Roadshow in München, Köln und Berlin hat das Medien- und Systemhaus Wellen+Nöthen die Eintrittsschwelle in die dreidimensionale Welt tiefer gelegt. 450 Besucher nutzen die günstige Informationsgelegenheit.

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Runde Veranstaltung

„Mit unserer Roadshow wollen wir die Branche darauf einstellen, welche Möglichkeiten und Technologiekonzepte es für 3D bereits gibt“, erklärt Peter Nöthen, Managing Director von Wellen+Nöthen. „Die technische Umsetzung von Stereo-3D-Produktionen ist zwar prinzipiell realisierbar, Produzenten und Filmcrews müssen aber dennoch eine Vielzahl an Regeln und Herausforderungen beachten.“ Diese gilt es nun zu erlernen und auszuprobieren. Dabei geht es nicht nur darum Stereo-3D-Dramaturgien und Aufnahmetechniken für das Kino zu entwickeln, sondern auch für Live-Inhalte für den heimischen Fernseher. Immerhin sei die 3D-Technologie bereits Teil der Bildschirme und warte nur darauf, genutzt zu werden, so Nöthen. Dass die FIFA 25 Begegnungen der WM in 3D produzierte, zeige dass sich die Branche schon intensiv mit der Produktion von Live-3D-Content für den Home-Entertainment-Bereich beschäftige. Auch die Distribution der Signale zum Konsumenten sei aus technischer Sicht realisierbar. Wichtig sei in diesem Zusammenhang jedoch, dass entsprechende Standards, etwa durch die EBU definiert würden.

Einer raschen und breiten Zunahme an dreidimensionalen TV-Programmangeboten in Deutschland steht der Wellen+Nöthen Chef allerdings noch skeptisch gegenüber: „Bislang gibt es bei den TV-Sendern noch kein Sendekonzept für 3D-Programme, und auch die entsprechenden Geschäftsmodelle müssen zunächst noch entwickelt beziehungsweise auf ihre Realisierbarkeit hin überprüft werden.“
Für Nöthen ist die Produktion von 3D-Content jedoch auch für viele andere Branchen interessant. Neben der Filmindustrie eröffne der Entwicklungspfad von 3D auch in Bereichen wie etwa der Werbe- und Spieleindustrie, dem Eventsektor, bei Messe- und Produktpräsentationen oder selbst in Produktionsprozessen der industriellen Fertigung viel Raum für neue Ideen, meint er. Sicher ist er, dass 3D nach HD die nächste Innovationsstufe bedeutet: „Der nächste Schritt ist 3D“, sagt er. „Darin sehen wir unsere Zukunft. Und durch unsere Vertriebspartnerschaften mit führenden Herstellern im 3D-Bereich sowie durch unser technisches Know-how sind wir dafür bestens aufgestellt.“

3D-Roadshow
So war vorrangiges Ziel der 3D-Roadshow nicht etwa Produkte zu verkaufen sondern Produzenten mit der Technik und dem wirtschaftlichen Potenzial von 3D vertraut zu machen. „Wir wollen die Möglichkeiten für unsere Kunden und die Produktionsprozesse in einem Bereich ausloten, in dem es jetzt die ersten Erfahrungen gibt“, meint Nöthen. „Auf dieser Roadshow geht es uns in erster Linie also darum, Fragen und Ideen, die im Markt um das Thema 3D kreisen, aufzunehmen und zu diskutieren.“

Die Technik für die 3D-Produktion – egal ob sie für eine Live-Übertragung oder ein fiktionales Produkt, das in aller Ruhe postproduziert werden kann – ist bereits vorhanden und auch identisch, wie Daniel Url, Kaufmännischer Leiter von Wellen+Nöthen, betont. „Selbst die Umrüstung eines Ü-Wagens auf 3D-Technik ist grundsätzlich durchführbar. Durch die Verdoppelung der Kamerasignale für das zweite Bild müssen allerdings die Kanäle und Schnittstellen erweitert werden, will man vermeiden, dass sich die Kapazität halbiert.“ Problematisch dürfte eher der Platzbedarf für die operative Abwicklung werden. Dieser wird zum Beispiel durch den neugeschaffenen Beruf des Stereografers ausgeweitet. Er überwacht mit entsprechender 3D-Prozesstechnik den 3D-Eindruck des Materials und justiert ihn entsprechend, damit das Bild ohne Konvergenz-, Farb- oder Vertikalfehler beim Zuschauer ankommt.
Die Herausforderung sieht Url neben der technischen Umsetzung, die bei Wellen+Nöthen bereits mit Produkten und Dienstleistungen untermauert wird, daher auch im Produktionsverhalten für 3D-Inhalte. „Die Produktionscrew kann mit 3D ein völlig neuartiges visuelles Erlebnis schaffen, aber Unterschiede gegenüber herkömmlichen 2D-Produktionen sollten beachtet werden.“ So seien beispielsweise schnelle Kamerafahrten und Schwenks nur schwer realisierbar, wodurch sich die Kamerapositionen für Live-3D-Content verändern würden.

3D-Partnerschaften
Auf der 3D-Roadshow in den Bavaria Filmstudios in München, den Nobeo Studios in Köln sowie den VCC Studios in Berlin hat Wellen+Nöthen den 3D-Workflow gemeinsam mit seinen Partnern Sony, Quantel, Vizrt, Molden und Infitec einmal durchexerziert. Dabei wurde Bildmaterial mit Sony-Kameras im 3D-Swiss-Rig aufgezeichnet und zur digitalen Korrektur in Sonys neue 3D-Prozessorbox MPE-200 geleitet und weiter über einen Sony-Mischer in ein sQ System von Quantel geschickt. Das dort eingelesene 3D-Material wurde mit bereits im System vorgehaltenen Bildmaterial am sQ Cut 3D in Low-Res geschnitten, an den Craft Editor für 3D übermittelt, farbkorrigiert und zum Vizrt-System weiter gespielt, wo in Echtzeit 3D-Sendegrafiken über das 3D-Material gelegt wurden. Danach wurde es dem Playout übergeben. Im Fall der Demonstration war das ein 3D-Beamer. Die 3D-Großbildprojektion erfolgte mit Hilfe des von Infitec entwickelten, passiven 3D-Stereo-Projektionssystems.

„Infitec steht für Farbindifferenztechnik. Ein gewisses Spektrum aus dem Sehbereich 400 bis 700 Nanometer wird dabei für RGB links und RGB rechts heraus genommen, um eine exakte Kanaltrennung durchführen zu können“, erklärte Manfred Reich, Geschäftsführer der Infitec Global Sales GmbH. Vorteil gegenüber Projektionssystemen, bei denen aktive Shutter- oder passive Pol-Brillen eingesetzt werden, sei, dass die Infitec-Technik eine höhere homogene Bildqualität garantiere. Auf Grund der sehr hohen Kanaltrennung könne man mit Infitec-Brillen sehr gut und lange 3D-Bilder auf einer Leinwand oder einem Monitor konsumieren, ohne dabei Kopfschmerzen zu bekommen.

Eine interessante Demonstration zum Thema virtuelles 3D-Studio bot Thomas Dlouhy, Produktspezialist von Vizrt. Dabei wurde das Bild nur mit einer Kamera aufgenommen und mit Hilfe einer virtuellen Kameraposition in 3D berechnet. Da der Standort eines Moderators im Grunde konstant bleibt, kann die virtuelle Kamera so positioniert werden, dass sie das zweite Bild passend zum aufgenommenen erzeugt. Die 3D-Grafiken werden analog zu dem schon längst üblichen Verfahren in der 2D-Produktion ebenfalls im Rechner erzeugt und mit Hilfe des Compositings eingefügt. Dafür steht der Moderator in einer Greenbox. Als Referenz zu Einspielern, Grafiken oder Bildern hat der Moderator einen grünen Monitor, auf dem die für ihn relevanten Grafikteile zu sehen sind. Der Monitor ist berührungsempfindlich und die Firma Molden hat mit dem M2Touch Gateway ein Plugin für die Viz Engine geschaffen, das es dem Moderator ermöglicht Bilder und Grafiken von seiner Position aus aufzurufen und sogar in ihnen Markierungen anzubringen.

Bei der Demonstration der Einbindung von Grafiken in 3D-Bilder anhand eines Loops aus verschiedensten Einstellungen von Sportberichten wurde schnell sichtbar, dass man vorsichtig sein muss, wie was miteinander kombiniert wird. Totalen eigneten sich am Besten für Grafiken, da so im 3D-Bild der Abstand zwischen dem Geschehen im Bildhintergrund nicht mit der Grafik im Vordergrund kollidierte. Kam das Geschehen aber nahe an die Grafik heran, verschmolz es stellenweise mit der Grafik und beeinträchtige ihre Betrachtung stellenweise so stark, dass man lieber verzichtete. Natürlich lassen sich die Grafiken und ihre Position individuell bestimmen. Die Demonstration zeigte absichtlich diese und auch andere ‘verbotene’ Kombinationen, um darauf aufmerksam zu machen, welche Fußangeln in der 3D-Produktion liegen, die mit einer sorgfältigen Planung und Zeit zum Ausprobieren, jedoch alle zu umgehen sind.

„Für uns ist diese Roadshow wichtig, weil wir hier zusammen mit unseren Partnern zeigen können, dass wir alle mit 3D-Produktionen verbundene Anforderungen auch erfüllen können“, erklärte VIZRT-Vertriebsleiter Johann Rückel. Für VIZRT sei das Thema 3D nichts Neues. „Unsere Grafikelemente werden schon seit jeher im dreidimensionalen Raum erstellt. Bei der aktuelle 3D-Entwicklung profitieren wir natürlich davon“, sagte er.

Farbkorrektursystem Pablo
Am Beispiel eines Show Reels des innovativen Kameramanns und 3D-Spezialisten Vince Pace, der maßgeblich an James Camerons Mega-Hit „Avatar“ beteiligt war, wurden an Quantels non-linearem Farbkorrektursystem Pablo die Vorteile der Live-Konvergenz bei der Stereo 3D-Bildbearbeitung demonstriert, bei der das System keinerlei Daten im Hintergrund rendern muss. „Die Bilder für das linke und rechte Auge können beim Grading, Editing oder der Farbkorrektur jeweils parallel bearbeitet werden“, erklärte Thomas Birner, Director of Sales, Central Europe and Middle East, „wobei jede Änderung sofort in Echtzeit sichtbar ist.“ Zudem wurde gezeigt, wie sich bestimmte Personen oder Gegenstände in den Vorder- oder Hintergrund rücken lassen. „Wellen+Nöthen hat diese 3D-Roadshow hinsichtlich der gesamten Technik, Präsentation und Logistik sehr professionell organisiert und gut vorbereitet, so dass wir die vernetzten 3D-Umgebungen und 3D-Produktionsabläufe aufzeigen konnten,“ meinte Birner.

Andreas Berghaus von Sony pflichtete dem bei. „Das war eine runde Veranstaltung mit einem ausgezeichneten Konzept“, sagte er. Hier seien die Besucher sehr umfassend über alle Bereiche der 3D-Live- und Postproduktion informiert worden. Sony habe die Roadshow gerne unterstützt, um seine vielfältigen 3D-Erfahrungen mit anderen zu teilen. „Viele haben 3D am Anfang gar nicht ernst genommen und sind von der Dynamik der 3D-Entwicklung, die sich in den letzten Monaten gezeigt hat, völlig überrascht worden“, betonte er. Zudem sei die Komplexität von 3D-Produktionen unterschätzt worden. Jetzt seien alle bemüht, möglichst schnell 3D Know how aufzubauen. Berghaus machte in seinem Vortrag deutlich, wo bei 3D-Produktionen in der Praxis Probleme auftreten können und wie man sie vermeidet. Aus den Fehlern der Vergangenheit habe man schnell gelernt. „Die 3D-Live-Produktionen heute werden deshalb immer besser“, erklärte er. Thomas Steiger & Eckhard Eckstein
(MB 07/10)

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